Rz. 137

Der bisher für das Kind handelnde Elternteil ist nicht berechtigt, die Vollstreckung aus dem Titel fortzusetzen, und zwar auch nicht aus den Unterhaltsrückständen.[185] Eine Ausnahme gilt dann, wenn das Kind den Anspruch abgetreten hat. Das Abtretungsverbot der §§ 400 BGB, 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO gilt in diesem Fall nicht.[186] (Siehe Rdn 144)

a) Verfahrensstandschaft

 

Rz. 138

Ist der Titel in Verfahrensstandschaft erlangt worden, steht der Name des Kindes nicht im Rubrum. Nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes kann der Titel daher auf das Kind umgeschrieben werden;[187] das Kind kann nunmehr im eigenen Namen vollstrecken.

 

Rz. 139

Vollstreckt nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes der Elternteil aus einem solchen Titel, so ist er zwar weiterhin – formell – Inhaber des Titels, ist aber nicht mehr berechtigt, aus diesem Titel zu vollstrecken[188] und muss mit einem Vollstreckungsgegenantrag nach § 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 767 ZPO rechnen.[189]

[187] OLG Brandenburg FamRZ 1997, 509; Büte in Bäumel/Büte/Poppen, Unterhaltsrecht, § 1629 BGB Rn 8.
[188] OLG Hamm FamRZ 1992, 843; OLG Köln FamRZ 1995, 308.
[189] Roßmann in Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltrecht, 2020, Kap. 3 Rn 230.

b) Gesetzliche Vertretung

 

Rz. 140

Handelt es sich aber um einen Titel, den ein Elternteil als gesetzlicher Vertreter des Kindes erwirkt hat – wenn der Unterhalt nach dem Abschluss des Scheidungsverfahrens tituliert worden ist. Dann ist Titelinhaber das Kind, das nach Eintritt seiner Volljährigkeit selbst vollstrecken muss. Denn auch die gesetzliche Vertretung durch den betreuenden Elternteil endet mit der Volljährigkeit des Kindes.[190] Eine Umschreibung des Titels ist jedoch nicht erforderlich, da das Kind bereits als Partei des Verfahrens im Rubrum des Titels steht.

Nach Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes kann auch das Jugendamt nicht mehr als Beistand und damit als gesetzlicher Vertreter des Kindes tätig werden.[191]

Vollstreckt der Elternteil, der während der Zeit der Minderjährigkeit des Kindes aufgrund der ihm damals zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht einen Unterhaltstitel erwirkt hatte, nach Eintritt der Volljährigkeit weiter, so ist die Lage komplizierter.

Ein Vollstreckungsgegenantrag nach § 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 767 ZPO gegen den Elternteil ist ohne Erfolg, weil dieser vollstreckende Elternteil nicht Gläubiger des Titels ist.[192] Ein Vollstreckungsgegenantrag gegen das Kind scheidet aus, weil das Kind nicht vollstreckt.[193]

 

Rz. 141

Jedoch kann der Wegfall der gesetzlichen Vertretungsmacht ist im Rahmen einer Erinnerung geltend gemacht werden.[194] Für eine solche Erinnerung ist aber nicht das Familiengericht, sondern das Vollstreckungsgericht zuständig (vgl. §§ 766, 764 ZPO).

[190] Soyka a.a.O. Rn 226; OLG Hamm FamRZ 1990, 1375.
[192] Roßmann in Eschenbruch/Schürmann, Unterhaltrecht, 2020, Kap. 3 Rn 221; vgl. aber OLG Hamm FamRZ 1992, 843; OLG Köln v. 16.8.1994 – 25 WF 172/94, FamRZ 1995, 308.
[193] Roßmann in Eschenbruch/Schürmann, Unterhaltrecht, 2020, Kap. 3 Rn 222.
[194] OLG Nürnberg v. 1.2.2010 – 7 WF 45/10, FamRZ 2010, 1010; vgl. auch Roßmann in Eschenbruch/Schürmann, Unterhaltrecht, 2020, Kap. 3 Rn 223.

c) Behandlung von Unterhaltsrückständen

 

Rz. 142

Auch hinsichtlich der Unterhaltsrückstände aus der Zeit der Minderjährigkeit ist nur noch das jetzt volljährige Kind berechtigt, nicht aber der Elternteil, der das Kind bisher vertreten hat.[195] Das gilt auch dann, wenn dieser Elternteil in der Vergangenheit den finanziellen Bedarf des Kindes sichergestellt hat, weil der barunterhaltspflichtige Elternteil keinen oder nur zu geringen Unterhalt gezahlt hat.

 

Rz. 143

Daraus ergeben sich für den bisher betreuenden Elternteil Probleme, denn dieser hat in der Vergangenheit nicht nur Betreuungsleistungen erbracht, sondern auch – quasi als Vorschuss auf den ausstehenden Unterhalt – noch eigene Geldmittel zur Versorgung des Kindes aufgewandt, das eigentlich der barunterhaltspflichtige andere Elternteil hätte zur Verfügung stellen müssen. Jetzt kann aber nur noch das Kind diese Unterhaltsrückstände gegen den zahlungspflichtigen Elternteil geltend machen und vollstrecken.

 

Rz. 144

 

Praxistipp:

Der Elternteil, der bisher den Kindesunterhalt geltend gemacht hat, muss also beachten:

aus bereits bestehenden Titeln ist nur noch das Kind berechtigt.
die Vollstreckung durch den bisher vertretenden Elternteil ist auch hinsichtlich der Rückstände unzulässig.
auch noch nicht titulierte Rückstände können nur noch vom Kind gerichtlich geltend gemacht werden.
bereits eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen müssen umgehend gestoppt werden.

Hinsichtlich der Unterhaltsrückstände bieten sich in der Praxis zwei Lösungswege an.

Der elegantere Weg ist die Abtretung des Unterhaltsrückstandes durch das jetzt volljährige Kind an den...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge