I. Angemessene Ausbildung

 

Rz. 7

Jedes Kind hat nach § 1610 Abs. 2 BGB seinen Eltern gegenüber einen Anspruch auf eine angemessene Ausbildung,[2] die Begabungen, Fähigkeiten, Leistungswillen und Neigungen entspricht. Geschuldet wird daher von den Eltern eine optimale, begabungsbezogene Berufsausbildung. d.h. eine Ausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten des Kindes, seinem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen am besten entspricht. Den beim Kind vorhandenen persönlichen Voraussetzungen kommt dabei maßgebliche Bedeutung zu.[3]

 

Rz. 8

Hat das Kind eine solche Ausbildung erhalten, besteht in der Regel kein Anspruch gegen die Eltern auf Finanzierung einer Zweitausbildung oder nicht notwendigen Weiterbildung.[4]

 

Rz. 9

Ausnahmen werden nur unter besonderen Umständen angenommen:

wenn der Beruf etwa aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann oder
wenn das Kind von den Eltern in einen seiner Begabung nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt wurde oder
die Erstausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung beruht,
wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichem und zeitlichem Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war oder
wenn während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde.[5]
 

Rz. 10

Besondere Probleme können in der Praxis auftreten, wenn das Kind

einen einmal begonnenen Ausbildungsweg abbricht, um eine andere Ausbildung aufzunehmen (Ausbildungswechsel) oder
wenn nach einer abgeschlossenen Ausbildung eine weitere Ausbildung aufgenommen wird (Zusatzausbildung, Zweitstudium).

II. Ausbildungswechsel

 

Rz. 11

Ein Wechsel des Studienfachs nach dem Ablauf der Orientierungsphase mit der Folge erheblicher Verlängerung der Ausbildungsdauer muss unterhaltsrechtlich nur bei ausreichender Begründung hingenommen werden.[6] Ein Studienwechsel innerhalb der ersten 2 bis 3 Semester wird von der Rechtsprechung akzeptiert.

III. Zweitausbildung

 

Rz. 12

Dagegen kann das volljährige Kind nur in besonderen Ausnahmefällen von den Eltern die Finanzierung einer Zweitausbildung nach abgeschlossener Erstausbildung verlangen. Dies kann dann gegeben sein, wenn die Erstausbildung dem Kind aufgedrängt worden ist und nicht den wirklichen Neigungen und Begabungen des Kindes entsprochen hat.

 

Rz. 13

Die Frage, ob der Erstausbildung des Kindes eine Fehleinschätzung seiner Begabung zugrunde lag, kann nach den Verhältnissen beurteilt werden, die sich erst nach Beendigung dieser Ausbildung ergeben haben.[7]

 

Rz. 14

 

Praxistipp:

Liegt eine echte Zweitausbildung (also nach einer abgeschlossenen Erstausbildung) vor, so ist eine umfassende Zumutbarkeitsabwägung vorzunehmen.[8]
Die Belastung mit den Unterhaltszahlungen für eine Zweitausbildung kann insbesondere dann unzumutbar sein, wenn z.B. der unterhaltspflichtige Elternteil nicht mehr damit rechnen musste, dass nach Abschluss der Lehre weitere Unterhaltsverpflichtungen in Betracht kommen und seinerseits anderweitige finanzielle Dispositionen getroffen hat.[9]
Auch hier ist anwaltlicher Sachvortrag unverzichtbar.
 

Rz. 15

Wird nach dem Abitur erst eine Lehre absolviert und dann ein Studium begonnen, ist entscheidend,

ob die Lehre eine sinnvolle Vorbereitung für das Studium war und mithin die Eltern für beide Ausbildungen Unterhalt leisten müssen oder
ob es an einem sachlichen Zusammenhang zwischen der ersten Berufsausbildung und dem Studium fehlt. In diesem Fall gilt das Studium als Zweitausbildung, deren Finanzierung von den Eltern nicht geschuldet wird.

IV. Freiwilligendienst

 

Rz. 16

Ob der Freiwilligendienst als Ausbildung oder Teil einer Ausbildung mit der Folge eines fortbestehenden Ausbildungsunterhaltsanspruchs angesehen werden kann, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich, teilweise stark differenzierend, beurteilt.

Hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs des volljährigen Kindes, das einen solchen Dienst ableistet, werden folgende Ansichten vertreten:

ein Ausbildungscharakter des Freiwilligendienstes – und damit auch ein Unterhaltsanspruch – wird verneint.[10]

Dies stand im Einklang mit der früheren steuerrechtlichen Einordnung, nach der im Freiwilligendienst den Eltern kein Ausbildungsfreibetrag zusteht, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG.[11] Allerdings sieht die aktuelle Fassung des § 32 Absatz 4 Nr. 2d EStG vor, dass ein Kind, das ein solches freiwilliges Jahr absolviert, beim Kinderfreibetrag berücksichtigt wird.

Ein Großteil der neueren Rechtsprechung sieht einen Ausbildungsunterhaltsanspruch jedenfalls dann als gegeben an, wenn der Freiwilligendienst entweder notw...

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