Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 157
Der Wegfall der Verfahrensstandschaft oder der alleinigen gesetzlichen Vertretung hat zur Folge, dass der bisher berechtigte Elternteil weder laufenden Unterhalt noch die bisher aufgelaufenen Unterhaltsrückstände mehr geltend machen kann. Ab der Volljährigkeit des Kindes ist daher kein Elternteil mehr zur Vertretung des Kindes berechtigt; das Kind kann seine Rechte jetzt selbst wahrnehmen.
Rz. 158
Ist bei Eintritt der Volljährigkeit des Kindes das Unterhaltsverfahren noch nicht abgeschlossen, gelten für dieses Verfahren die Grundsätze des gewillkürten Beteiligtenwechsels.
Hinsichtlich der zu stellenden Anträge ist zwischen den beteiligten Personen zu unterscheiden.
Rz. 159
Der bisher legitimierte Elternteil kann
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den Antrag im Kosteninteresse einseitig für erledigt erklären, weil mit seiner Verfahrensführungsbefugnis eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Durchsetzung des Kindesunterhaltes nachträglich entfallen ist. Prozessual bleibt der bisher alleinvertretungsberechtigte Elternteil bzw. der von ihm für das Kind bevollmächtigte Rechtsanwalt trotz Wegfall der Verfahrensstandschaft oder der gesetzlichen Vertretung also berechtigt, den (zulässigerweise begonnenen) Rechtsstreit als "Abwicklungsmaßnahme" gem. §§ 91a ZPO, 112, 113 FamFG für erledigt zu erklären. Im Rahmen der Abwicklungsbefugnis ist es auch als zulässig, die vom früher vertretungsberechtigten Elternteil erteilte Vollmacht auf die Überprüfung der aufgrund der Erledigungserklärung ergangenen Kostenentscheidung zu erstrecken. |
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Gibt der bisher legitimierte Elternteil keine Erledigungserklärung ab, wird sein Antrag als unzulässig abgewiesen. |
Rz. 160
Hinsichtlich der Unterhaltsrückstände bestehen aber für den bisher legitimierten Elternteil noch zwei weitere Möglichkeiten:
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Er kann im Wege der sachdienlichen Antragsänderung im gleichen Verfahren einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch für den rückständigen Unterhalt geltend machen (siehe oben Rdn 147), wenn das volljährige Kind seine Unterhaltsansprüche nicht weiter verfolgt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der familienrechtlichen Ausgleichsanspruch anderen Voraussetzungen unterliegt als der bisher geltend gemachte Anspruch auf Kindesunterhalt, so dass eine geänderte sachliche Begründung vorgetragen werden muss. |
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Er kann rückständigen Unterhalt auch dann weiter geltend machen, wenn das volljährige Kind diesen Unterhalt an ihn abgetreten hat (siehe oben Rdn 144). |
Rz. 161
Das volljährig gewordene Kind kann als Antragsteller in das laufende Verfahren im Wege des gewillkürten Beteiligtenwechsels eintreten, der sich auch auf die im Verfahren geltend gemachten Unterhaltsrückstände bezieht. Die erforderliche Erklärung ist eine Prozesshandlung, daher bedingungsfeindlich und unterliegt in Anwaltsverfahren dem Anwaltszwang.
Rz. 162
Die Zustimmung des nicht mehr legitimierten Elternteils ist hierfür erforderlich. Wird diese verweigert, führt das zur Abweisung des Antrags als unzulässig mit der entsprechenden Kostenfolge.
Dagegen ist eine Zustimmung des Verfahrensgegners – des unterhaltspflichtigen anderen Elternteils – nicht erforderlich. Daher ist der Beteiligtenwechsel sogar noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zulässig.
Rz. 163
Ist der Antrag im Verbundverfahren gestellt worden, ist die Folgesache Unterhalt auf einen entsprechenden Antrag aus dem Verbund abzutrennen (§ 140 Abs. 2 FamFG).
Das volljährig gewordene Kind ist an die vorgefundene Verfahrenslage gebunden, hat also das Verfahren in dem Stand fortzuführen, in dem es sich zum Zeitpunkt des Volljährigwerdens befindet (vgl. § 1629 Abs. 3 S. 2 BGB). Die bisher vorgenommene Verfahrenshandlungen und Beweisaufnahmen bleiben grds. wirksam. Auch an einen von dem Verfahrensstandschafter geschlossenen Vergleich ist das Kind gebunden.
Rz. 164
Die Kostenentscheidung ergeht zwischen dem volljährigen Kind als neuem Antragsteller und dem unterhaltspflichtigen Elternteil als Antragsgegner. Vertreten wird, dass dem bisherigen Antragsteller die bis zu seinem Ausscheiden angefallen Mehrosten analog § § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO auferlegt werden können.
Rz. 165
Ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig, muss das Kind ggf. fristgerecht selbst Rechtsmittel gegen die vom Elternteil erwirkte Entscheidung einlegen.
Rz. 166
Mit dem Verlust der Vertretungsbefugnis ist auch die Befugnis des Elternteils zur Beauftragung eines Anwaltes für das Kind rückwirkend – bis zur Verfahrenseinleitung – entfallen. Damit ist jetzt auch der Verfahrensbevollmächtigte, der vom bisher das Verfahren betreibende Elternteil beauftragt worden ist, Vertreter ohne Vertretungsmacht geworden i.S.d. § 177 BGB. Eine nachträgliche Genehmigung seiner Verfahrensführung kann aber durch schlüssiges Handeln erfolgen.