Rz. 16

Ob der Freiwilligendienst als Ausbildung oder Teil einer Ausbildung mit der Folge eines fortbestehenden Ausbildungsunterhaltsanspruchs angesehen werden kann, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich, teilweise stark differenzierend, beurteilt.

Hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs des volljährigen Kindes, das einen solchen Dienst ableistet, werden folgende Ansichten vertreten:

ein Ausbildungscharakter des Freiwilligendienstes – und damit auch ein Unterhaltsanspruch – wird verneint.[10]

Dies stand im Einklang mit der früheren steuerrechtlichen Einordnung, nach der im Freiwilligendienst den Eltern kein Ausbildungsfreibetrag zusteht, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG.[11] Allerdings sieht die aktuelle Fassung des § 32 Absatz 4 Nr. 2d EStG vor, dass ein Kind, das ein solches freiwilliges Jahr absolviert, beim Kinderfreibetrag berücksichtigt wird.

Ein Großteil der neueren Rechtsprechung sieht einen Ausbildungsunterhaltsanspruch jedenfalls dann als gegeben an, wenn der Freiwilligendienst entweder notwendige Voraussetzung[12] oder jedenfalls sinnvolle Vorbereitungsmaßnahme[13] für eine spätere Ausbildung ist.
Schließlich wird vertreten, dass aufgrund des allgemeinbildenden Charakters des Freiwilligendienstes stets von einer Ausbildung im Freiwilligendienst und damit von einem bestehenden Ausbildungsunterhaltsanspruch auszugehen sei, auch wenn dieser nicht zwingende Voraussetzung für einen bereits beabsichtigten weiteren Ausbildungsweg ist. Zur Begründung wird die Lernzielorientierung nach § 1 des JFDG und die pädagogische Begleitung sowie der Erwerb von Kompetenzen nach § 3 JFDG angeführt, was sich auch aus den Gesetzesmaterialien ergebe. Das Freiwillige Soziale Jahr stelle sich damit unabhängig von einer späteren Ausbildung auch als eine unterhaltsrechtlich anerkennenswerte Orientierungsphase dar.[14]
 

Rz. 17

Unabhängig davon wird von einem fortbestehenden Unterhaltsanspruch jedenfalls dann ausgegangen werden können, wenn der Freiwilligendienst mit Zustimmung der Eltern aufgenommen wurde, da die Obliegenheit zur zielstrebigen Ausbildung dann nicht verletzt ist.[15]

 

Rz. 18

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Jugendfreiwilligendienstgesetz und § 2 Nr. 4 Bundesfreiwilligendienstgesetz erhalten die Freiwilligen für den Dienst "unentgeltliche Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung sowie ein angemessenes Taschengeld oder anstelle von Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung entsprechende Geldersatzleistungen". Aus § 11 Abs. 1 Nr. 6 JFDG ergibt sich zudem, dass vereinbarungsgemäß durch den Träger des freiwilligen Dienstes Leistungen für Unterkunft und Verpflegung, Arbeitskleidung sowie Taschengeld zur Verfügung gestellt werden. Soweit daher während des freiwilligen sozialen Jahres Einkünfte erzielt werden, sind diese in vollem Umfang als bedarfsdeckend anzurechnen. Ist das Kind noch minderjährig, erfolgt der Abzug nur zur Hälfte.[16] Da im Freiwilligendienst regelmäßig keine Lehrmittel benötigt werden oder sonstige ausbildungsbedingte Mehraufwendungen anfallen, ist auch ein Abzug nicht gerechtfertigt.[17] Für den Bedarf und auch einen etwaigen Mehrbedarf – z.B. nicht erstattete Fahrtkosten, wenn das Kind weiter zuhause wohnt[18] – ist das unterhaltsberechtigte Kind darlegungsbelastet.

Eine (weitere) Orientierungsphase nach Abschluss des Freiwilligendiensts wird verneint.[19]

[10] Klinkhammer in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 10. Aufl., § 2 Rn 489; OLG Zweibrücken, Urt. v. 29.3.1994 – 5 UF 210/91, NJW-RR 1994, S. 1225: Freiwilligendienst in der Wartezeit bis zur Aufnahme eines Studiums; OLG München, Beschl. v. 15.11.2001 – 12 UF 1289/01, allerdings unter Hinweis darauf, dass regelmäßig von einer vollständigen Bedarfsdeckung wie im (damals noch bestehenden) Zivildienst auszugehen sei.
[12] OLG Naumburg, Beschl. v. 10.5.2007 – 4 UF 94/07, NJW-RR 2007, 1380: kein Unterhaltsanspruch, wenn ein freiwilliges soziales Jahr nicht Voraussetzung für ein Studium bzw. für eine Ausbildung ist.
[13] OLG Hamm, Beschl. v. 11.3.2013 – 8 WF 234/12: durch den Bundesfreiwilligendienst erlangten Punkte helfen dabei im Anschluss einen Studienplatz zu erhalten; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.10.2007 – 15 WF 214/07: durch Ableistung des (berufs-) vorbereitenden) freiwilligen sozialen Jahres begründete Aussicht auf einen Ausbildungsplatz; AG Neuss, Beschl. v. 30.10.2012 – 46 F 187/12: freiwilliges soziales Jahr beim Roten Kreuz, das als Orientierungsphase für ein beabsichtigtes Medizinstudium dient; siehe auch BGH v. 29.6.2011 – XII ZR 127/09 Rn 24, FamRZ 2011, 1560; OLG Karlsruhe v. 8.3.2012 – 2 WF 174/11; OLG Naumburg FamRZ 2008, 86; OLG Schleswig OLGR 2008, 196; OLG München FamRZ 2002, 1425 (Leitsatz) = OLGR 2002, 142.
[14] OLG Düsseldorf v. 1.3.2019 – 3 WF 140/18, FF 2019, 211; OLG Hamm v. 8.1.2015 – 1 WF 296/14, FamRZ 2015, 1200;OLG Brandenburg v. 18.12.2014 – 9 UF 182/12; vgl. auch BGH v. 29.6.2011 – XII ZR 127/09, juri...

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