Dr. Wolfgang Kürschner, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 9
In der umfangreichen Kasuistik zur Frage der Vorteilsausgleichung haben sich verschiedene Fallgruppen herausgebildet: Die erste umfasst solche Vorteile, die ohne Zutun des Geschädigten oder eines Dritten, also "von selbst entstanden" bzw. "automatisch eingetreten" sind. Diese sollen regelmäßig auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden, da bei derartigen Vorteilen die Tendenz des Gesetzes zur Gewinnabwehr überwiegt.
Rz. 10
Die zweite Fallgruppe ist durch Leistungen des Geschädigten gekennzeichnet, durch die er selbst den Schaden abwendet oder mindert. Hier entscheidet der Rechtsgedanke des § 254 Abs. 2 BGB über die Anrechnung oder Nichtanrechnung: Ist der Geschädigte aufgrund seiner Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB zu einer Maßnahme verpflichtet oder hat der Geschädigte etwas mit zumutbarem Arbeits- und Kostenaufwand und mit zumutbarem Risiko erworben, wird eine Anrechnung bejaht; Vorteile aus überpflichtmäßiger Anstrengung des Geschädigten sollen den Schädiger dagegen nicht entlasten.
Rz. 11
Zur dritten Fallgruppe zählen Aufwendungen, die der Geschädigte durch das haftungsbegründende Ereignis erspart hat. Diese sollen grundsätzlich auf den Ersatzanspruch angerechnet werden, es sei denn, die Ersparnis beruht auf einem überpflichtmäßigen Verzicht des Geschädigten.
Rz. 12
Die vierte Fallgruppe bilden Zuwendungen Dritter. Freigiebige Leistungen Dritter sind grundsätzlich nicht anzurechnen, wenn sie dem Geschädigten zugutekommen und nicht den Schädiger entlasten sollen. Gesetzlich gebotene Leistungen Dritter werden ebenfalls nicht auf den Schadensersatzanspruch angerechnet, da sie regelmäßig die Versorgung und Entlastung des Opfers, nicht aber des Schädigers bezwecken. Nicht anrechenbar sind danach z.B. Lohn- und Gehaltsfortzahlungen, sonstige aus fürsorgerischen Erwägungen erbrachten Leistungen des Arbeitgebers sowie schädigungsbedingte Unterhalts- und Sozialleistungen an den Verletzten. Leistungen eines Sozialversicherungsträgers, die im Hinblick auf die besondere Situation des Geschädigten, in die er durch das schädigende Ereignis geraten ist, erbracht werden, sollen nach ihrem Sinn und Zweck nicht dem Schädiger, sondern dem Geschädigten zugutekommen, und zwar unabhängig davon, ob diesen Leistungen eigene Beiträge des Geschädigten zugrunde liegen oder nicht. Ähnlich wird auch für Maßnahmen privater Schadensvorsorge (z.B. Leistungen aus einer Lebensversicherung) argumentiert; diese werden ebenfalls nicht angerechnet, weil der Geschädigte sich derartige Leistungen durch Versicherungsprämien und -beiträge erkauft und damit keine Entlastung des Schädigers bezweckt hat.
Siehe zur Thematik Drittleistungen und Vorteilsausgleichung auch § 13 Rdn 26 ff.