I. Keine nachteiligen Schlüsse
Rz. 6
II. Bedeutung für Verkehrssachen
Rz. 7
Im Verkehrsprozess spielt das Recht, das Zeugnis verweigern zu können, eine wichtige und oft vorentscheidende Rolle: Vielfach sind die einzigen Zeugen eines Vorfalles Angehörige des Beschuldigten. Nicht selten kommt es vor, dass der Beschuldigte nur durch Aussagen seiner Angehörigen in Tatverdacht geraten ist bzw. überführt werden kann, so z.B. wenn sie ihn den nach einer Unfallflucht ermittelnden Beamten als Fahrer angegeben haben. In diesen Fällen ist eine Verurteilung zumeist alleine schon mit dem geschickten Einsatz des Aussageverweigerungsrechts zu verhindern.
Rz. 8
Achtung: Nur im Falle eines Gerichtsbeschlusses
Eine Verletzung des Aussageverweigerungsrechts kann der Verteidiger in der Revisionsinstanz nur rügen, wenn er zuvor einen Gerichtsbeschluss gem. § 238 Abs. 2 StPO herbeigeführt hat (BGH, Urt. v. 9.3.2010 - 4 StR 606/09).
III. Zur Verweigerung berechtigt
1. Angehörige
Rz. 9
Die in § 52 StPO genannten Angehörigen des Angeklagten (Betroffenen) haben das Recht, das Zeugnis zu verweigern. Soweit Angehörige die Aussage verweigern wollen, gibt es im Allgemeinen keine Probleme. Schwierigkeiten können dann entstehen, wenn der Richter Zeugen mit einer unkorrekten Belehrung in Bedrängnis bringt, sie z.B. mit folgendem Wortlaut belehrt: "Wenn Sie oder einer Ihrer Angehörigen sich strafbar gemacht haben...". Dann muss der Verteidiger sofort einschreiten und auf einer gesetzkonformen Belehrung bestehen."
2. Verlobte
Rz. 10
Problematisch kann das Zeugnisverweigerungsrecht eines mit dem Beschuldigten Verlobten (dessen Abschaffung geplant ist) sein. Da Verlöbnisse gelegentlich als taktisches Verteidigungsmittel eingesetzt werden, entstehen immer dann Zweifel, wenn ein Verlöbnis erst nach der Tat - es kommt nur auf den Zeitpunkt der Aussage an (BGH NJW 1969, 1623) - stattgefunden haben soll. Von einem Verlöbnis kann indessen nur bei einem gegenseitigen und ernstlich gemeinten Eheversprechen die Rede sein (BGH NStZ 1986, 84).
Rz. 11
Ist die Ernsthaftigkeit des Versprechens nicht infrage gestellt, muss das Verlöbnis beachtet werden, wenn es im Zeitpunkt der Aussage besteht (BGH NJW 1969, 1633). Darauf, ob es bereits zum Zeitpunkt der Tat bestanden hat, kommt es nicht an. Hat das Gericht Zweifel am Bestehen eines Verlöbnisses, kann es die Glaubhaftmachung nach § 56 StPO verlangen (BGH NStZ 1985, 205).
Rz. 12
Nicht immer kann mit einem Verlöbnis die Verpflichtung, aussagen zu müssen, umgangen werden. Ein Verheirateter kann sich z.B. nach h.M. (BGH NStZ 1994, 227) nicht wirksam verloben.
3. (Gleichgeschlechtliche) Ehe-/Lebenspartner
Rz. 13
Der Lebenspartner des Beschuldigten hat ein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 2a StPO), auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht.
4. Nichteheliche Lebensgemeinschaft
Rz. 14
Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft haben - gegen eine im Vordringen befindliche Meinung - (derzeit noch) kein Zeugnisverweigerungsrecht.
IV. Mehrere Angeklagte
Rz. 15
In einem gegen mehrere Angeklagte geführten Verfahren kann der Angehörige das Zeugnis in vollem Umfang verweigern, wenn die Aussage auch seinen Angehörigen betrifft (BGH NJW 1974, 758), auch dann, wenn das Verfahren gegen seinen Angehörigen abgetrennt wurde (BGH NStZ 1988, 18). Es genügt, dass in irgendeinem Verfahrensabschnitt einmal eine prozessuale Gemeinsamkeit bestanden hat (BGH NStZ 1987, 83).
Rz. 16
Das Recht zur Aussageverweigerung besteht allerdings nur, solange das Verfahren gegen den Angehörigen noch nicht endgültig erledigt ist. Es endet mit einer endgültigen Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO oder dem rechtskräftigen Urteil (BGH NJW 1992, 1116).
V. Berufsgeheimnis
Rz. 17
Die in § 53 StPO genannten Angehörigen bestimmter Berufe (z.B. Ärzte, Rechtsanwälte, Pfarrer) haben, solange sie nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden sind, ein Aussageverweigerungsrecht. Sind sie allerdings von der Schweigepflicht entbunden, müssen sie (mit Ausnahme der Pfarrer § 53 Abs. 2 StPO) aussagen.
Rz. 18
Achtung: Vorlage eines ärztlichen Attestes
Die Rechtsprechung sieht in der Vorlage eines ärztlichen Attestes eine konkludente umfassende Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, so dass der Richter dann ohne Weiteres dem Arzt ergänzende Fragen stellen kann (Schleswig-Holsteinisches OLG zfs 2006, 53).
Rz. 19
Hat der Angeklagte umfassend geschwiegen, darf aus seiner Weigerung, einen Zeugen von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, kein für ihn nachteiliger Schluss gezogen werden (BGH NJW 2000, 1426).
Das ist allerdings anders zu beurteilen, wenn er sich z.T. eingelassen hat; denn dann hat er sich selbst zu einem Beweismittel gemacht, so dass sein gesamtes Verhalten - auch seine Weigerung, den Zeugen von der Schweigepflicht zu entbinden - der tatrichterlichen Beweiswürdigung unterliegt. In einem solchen Fall ist der Richter nicht gehindert, aus der Weigerung negative Schlüsse für den Angeklagten zu ziehen (BGHSt 20, 298).
Rz. 20
Tipp: Verwertungsverbot
Die nach Widerruf der Entbindungserklärung gemachten Aussage...