I. Gefahr der Strafverfolgung

 

Rz. 24

Droht dem Zeugen oder einem der in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten Angehörigen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, kann er gem. § 55 StPO die Auskunft auf bestimmte Fragen verweigern.

 

Rz. 25

Das Recht, die Aussage zu verweigern, besteht selbstverständlich auch dann, wenn weder der Zeuge noch sein Angehöriger die Tat tatsächlich begangen hat. Voraussetzung ist lediglich, dass der Zeuge sich oder einen Angehörigen der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt. Ein prozessualer Anfangsverdacht reicht aus (BGH NJW 1994, 2839). Es genügt bereits, wenn im Falle der Aussage der begründete Anfangsverdacht einer Straftat droht (OLG Hamm StraFo 1998, 119).

 

Rz. 26

 

Achtung

Vielfach belehren Richter den Zeugen dahingehend, dass er ein Auskunftsverweigerungsrecht habe, wenn er oder ein Angehöriger sich strafbar gemacht hätten. Dann muss der Verteidiger einschreiten und auf einer korrekten Belehrung bestehen.

 

Rz. 27

Ein Auskunftsverweigerungsrecht besteht schon dann, wenn nur entweder die Bejahung oder die Verneinung der Frage den Zeugen oder seinen Angehörigen in die Gefahr der Verfolgung bringt, wobei § 55 StPO auch gilt, wenn der Zeuge über Tatsachen Auskunft geben müsste, die einen Verdacht mittelbar begründen könnten (LG Zweibrücken zfs 2006, 472).

II. Umfang

 

Rz. 28

Das Auskunftsverweigerungsrecht besteht bezüglich sämtlicher Fragen, die im Zusammenhang mit dem Vorwurf stehen (BGHSt 10, 104), und kann u.U. zum Recht werden, die Aussage insgesamt zu verweigern = Mosaiktheorie (BGH StV 1987, 328; BGH bei Tepperwien, DAR 2007, 246). Es endet mit eindeutig feststehendem Verfahrenshindernis (z.B. Verjährung; BGHSt 9, 34).

III. Halter als Zeuge

 

Rz. 29

Der Halter muss, wenn seine Täterschaft nicht sicher ausgeschlossen werden kann, sofort über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt werden (LG Saarbrücken zfs 2013, 590).

Dies gilt allerdings dann nicht, wenn ein Verdacht gegen den Halter bereits anhand des Fahrerfotos (das z.B. eine Frau zeigt, während der Halter ein Mann ist) ausgeschlossen werden kann. Aber auch wenn er als Täter ausscheidet, kann er unter Umständen dann ein Auskunftsverweigerungsrecht haben, wenn er einer Tatbeteiligung verdächtigt werden könnte. Ein solcher Anfangsverdacht kann nämlich schon dann bestehen, wenn der Halter sein Fahrzeug einer Person überlassen hat, um deren wiederholte Verkehrsverstöße (Parkverstöße reichen aus) er weiß und deren Wiederholung er möglicherweise billigend in Kauf genommen hat (OLG Koblenz NJW 1986, 1003).[4]

[4] Janiszewski, NStZ 1981, 474.

IV. Halter als Zeuge nach der Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Verfahrens

 

Rz. 30

Immer öfter wird der Versuch unternommen, den Halter - vor allem, wenn er in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren bestritten hatte, Fahrer gewesen zu sein - nach Einstellung des Verfahrens als Zeugen in der Erwartung zu vernehmen, dass er sich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO berufen könne.

 

Rz. 31

Einem solchen Zeugen steht aber - solange er nicht definitiv als Täter auszuschließen ist - trotz der Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens nach wie vor das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO zu (BVerfG DAR 1999, 65).

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