I. Angeklagter/Zeuge

 

Rz. 50

Es gibt keine Beweisregel des Inhalts, dass - bei im Übrigen gleichem Beweiswert - die Angaben eines Zeugen grundsätzlich glaubhafter sind als die des Betroffenen.

 

Rz. 51

Aus diesem Grund stellt es einen Verstoß gegen die freie Beweiswürdigung dar, wenn dem Zeugen alleine deshalb gefolgt wird, weil er der Wahrheitspflicht unterliegt (OLG Bremen NZV 1991, 41).

 

Rz. 52

 

Tipp

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn nur wenige konkrete Tatsachen zum Vorwurf bekannt sind und - außer dem Belastungszeugen - Dritte den Vorgang nicht wahrgenommen haben (OLG Thüringen StraFo 1997, 206). Gerade und vor allem bei einer solchen Beweislage muss der Tatrichter alle für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit wesentlichen Umstände im Urteil darlegen und eingehend würdigen (OLG Oldenburg DAR 2000, 86; OLG Hamm zfs 2000, 270; OLG Karlsruhe StraFo 2000, 232; OLG Frankfurt zfs 2003, 469; BayObLG NZV 2003, 296; BGH NStZ-RR 2004, 87).

 

Rz. 53

 

Achtung: Beweisantrag zur Glaubwürdigkeit

Geht es um die Glaubwürdigkeit eines Zeugen, muss das Gericht einen Beschluss, mit dem es einen entsprechenden Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit zurückweist, so eingehend begründen, wie es dies bei der Würdigung von durch Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen im Urteil tun müsste; es muss vor allem auch dartun, warum ihn die unter Beweis gestellte Tatsache, auch dann wenn sie bewiesen wäre, unbeeinflusst ließe (BGH NZV 2007, 318).

II. Unfallgegner sowie Verwandte

 

Rz. 54

Zivilrechtliche, dem Grundgedanken nach auch für das Strafverfahren nutzbare Entscheidungen zum Beweiswert des Unfallgegners als Zeuge: OLG München zfs 1982, 261.

 

Rz. 55

Aussagen von Verwandten und Beifahrern sind nicht von vornherein unbeachtlich (BGH DAR 1988, 54).

 

Rz. 56

 

Achtung

Soll der Betroffene allein aufgrund der Angaben unfallbeteiligter Zeugen überführt werden, muss der Tatrichter neben der Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen und der Zeugenaussagen eine Würdigung dieser Angaben im Urteil vornehmen.

 

Rz. 57

Die Beweiswürdigung ist zwar gem. § 46 Abs. 1 OWiG, § 261 StPO grundsätzlich alleine Sache des Tatrichters. In Fällen, die - wie nach einem streitigen Unfallereignis - dann Anlass zu Zweifeln geben, wenn nur die gegnerischen Zeugen zur Verfügung stehen, muss der Richter im Urteil darlegen und erkennen lassen, dass er die Umstände, die die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Betroffenen beeinflussen können, erkannt und gegeneinander abgewogen hat (OLG Düsseldorf zfs 1998, 195; BayObLG zfs 2003, 97).

III. Zeuge vom "Hörensagen"

 

Rz. 58

Auch ein Zeuge vom "Hörensagen" ist ein zulässiges Beweismittel. Wegen der begrenzten Zuverlässigkeit solcher Aussagen sind jedoch besonders hohe Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen (BVerfG NJW 1992, 168; 1996, 448).

IV. Änderung der Aussage

 

Rz. 59

Hat ein Zeuge in einer früheren Aussage in einem wesentlichen Punkt anders ausgesagt, gebietet es die Aufklärungspflicht, dem Zeugen seine frühere Aussage vorzuhalten oder die Verhörsperson zu vernehmen.

 

Rz. 60

 

Achtung

Der Verstoß gegen die Aufklärungspflicht ist in einem solchen Fall bereits dann erwiesen, wenn die schriftlichen Urteilsgründe sich lediglich mit der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung auseinander setzen und die abweichenden Angaben in seiner früheren Vernehmung übergangen werden (BayObLG zfs 2003, 41).

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