1. Schweigepflicht
Rz. 32
Das Gericht braucht einen von seiner Schweigepflicht nicht entbundenen Zeugen über seine Pflicht zu schweigen nicht zu belehren (BGH NJW 1991, 2846). Sagt der Zeuge aus, ohne von der Schweigepflicht entbunden worden zu sein, macht er sich zwar gem. § 203 StGB strafbar, seine Aussage ist jedoch verwertbar (BGH NJW 1963, 723).
2. Angehörige
Rz. 33
Die Aussage eines über sein Zeugnisverweigerungsrecht nicht belehrten Angehörigen ist grundsätzlich nicht verwertbar (BayObLG bei Rüdt, DAR 1980, 269; BGH NStZ 1990, 25).
Das gilt selbstverständlich auch für die vom Zeugen in einer lediglich informatorischen Befragung gemachten Angaben (BayObLG NZV 2005, 492; OLG Zweibrücken MittBl 2006, 173; OLG Bamberg DAR 2012, 32).
Auf die Kenntnis des Gerichtes von dem bestehenden Angehörigenverhältnis kommt es dabei nicht an (BGH bei Tolksdorf, DAR 2001, 200).
Rz. 34
Achtung
Beachte die hohen Anforderungen, die an die Darlegung einer solchen Rüge gestellt werden (OLG Bamberg DAR 2012, 32).
Rz. 35
Das Beweisverwertungsverbot entfaltet dabei aber keine Fernwirkung. Beweismöglichkeiten, die erst aufgrund einer solchen Aussage bekannt geworden sind, dürfen deshalb verwertet werden (OLG Köln NZV 2001, 137).
Rz. 36
Achtung: Vernehmung durch Sachverständigen
Der Sachverständige selbst ist zur Belehrung eines Zeugen nicht verpflichtet. Die ihm gegenüber gemachten Angaben sind ohne Einschränkung dann verwertbar, wenn der Zeuge im Laufe des Verfahrens zuvor bereits von einem Richter belehrt worden war (BGH bei Tolksdorf, DAR 1996, 176; BGH NJW 1998, 830).
3. Spontanäußerungen
Rz. 37
Ein Verwertungsverbot besteht allerdings nur für die in einer Vernehmung gemachten Angaben, hier lösen bereits informatorische Befragungen den Schutz des § 252 StPO aus (LG Zweibrücken MittlBl 2006, 173). Dies gilt auch dann, wenn die Initiative zum Kontakt mit der Behörde vom Zeugen ausgegangen ist (BGH NStZ 2007, 652) oder wenn der Zeuge von sich aus mit dem Wunsch, zur Sache auszusagen, fernmündlich gegenüber der Polizei Angaben macht (BayObLG VRS 64, 201).
Rz. 38
Hingegen gilt kein Verwertungsverbot für Äußerungen, die der zur Zeugnisverweigerung berechtigte Zeuge unabhängig von einer Vernehmung gemacht hat, etwa bei der Bitte um polizeiliche Hilfe, bei einer nicht mit einer Vernehmung verbundenen Strafanzeige oder sonst ungefragt "spontan und aus freien Stücken" gemachten Angaben (BGHSt 40, 211 [215]; StV 1998, 360; NStZ 2007, 712; OLG Hamm NStZ-RR 2002, 370; OLG Saarbrücken DAR 2008, 402), auch dann wenn die Auskunftsperson von ihrem Schweigerecht Gebrauch macht (OLG Köln StraFo 1998, 21)."
4. Revision
Rz. 39
Anders als im Falle der Aussage seines nicht belehrten Angehörigen kann der Angeklagte eine Revision nicht auf die Tatsache stützen, dass ein Zeuge nicht gem. § 55 Abs. 2 StPO belehrt worden war, denn diese Vorschrift bezweckt nicht den Schutz des mit dem Zeugen nicht verwandten Angeklagten ("Rechtskreistheorie", BGHSt 11, 218).
Rz. 40
Aus dem gleichen Grund besteht auch kein Verwertungsverbot für Aussagen, die der in der Hauptverhandlung unter Hinweis auf § 55 StPO verweigernde Zeuge im Vorverfahren gemacht hat, selbst wenn er dort nicht belehrt worden war. Zwar ist die Verlesung des Vernehmungsprotokolls wegen § 251 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 StPO unzulässig (BGH NJW 1984, 136), seine Aussage kann jedoch im Wege der Vernehmung der Verhörperson oder durch Vorhalt verwertet werden.