1. Nichtrichterliche Vernehmung
Rz. 41
Selbst wenn der aussageverweigerungsberechtigte Angehörige ordnungsgemäß über sein Verweigerungsrecht belehrt worden war, dürfen seine in einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Angaben bei anschließender Aussageverweigerung gem. § 252 StPO nicht verwertet werden (BGH NJW 1980, 1533; NStZ 2007, 652), auch nicht über den Umweg der Vernehmung einer nichtrichterlichen Vernehmungsperson (BGHSt 21, 218; 45, 203 [205]) oder durch Verlesung der von dem Zeugen stammenden schriftlichen Erklärung (BGH NJW 2007, 2195). Dies gilt nicht nur für das Straf- sondern auch für das Bußgeldverfahren (OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.2019 - 4 RBs 147/19).
So lange nicht feststeht, ob der Zeuge von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht oder darauf verzichtet, darf deshalb eine nichtrichterliche Vernehmungsperson nicht vernommen werden (BayObLG DAR 2005, 257).
Rz. 42
Achtung: Gestattung der Verwertung durch den Zeugen
Von diesem Grundsatz weicht der BGH für den Fall ab, dass der Zeuge die Vernehmung der Verhörsperson gestattet, der Zeuge also auf das Verwertungsverbot verzichtet. Dann lässt der BGH die Verwertung der Angaben des Beamten über die in der Vernehmung vom Zeugen gemachten Angaben auch dann zu, wenn der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht (BGH StraFo 2000, 17).
Dies soll allerdings nur für amtliche Vernehmungen, nicht also für die von einem Verteidiger durchgeführte schriftliche "Vernehmung" gelten (BGH NJW 2000, 1277)."
Der Verteidiger wird demnach darauf zu achten haben, dass das Gericht auf einen die Aussage verweigernden Zeugen nicht einen solchen Druck ausübt, dass dieser (wenigstens) die Vernehmung der Verhörsperson gestattet. Gegebenenfalls ist dem Zeugen die Hinzuziehung eines anwaltschaftlichen Beistandes anzuraten (BVerfGE 38, 105).
2. Richterliche Vernehmung
Rz. 43
Die in einer richterlichen Vernehmung und nach ordnungsgemäßer Belehrung gemachten Angaben können dagegen nach bisher einhelliger Meinung auch im Falle anschließender Aussageverweigerung durch Vernehmung des Richters (BGHSt 22, 219; 45, 342; 57, 254 [256]), nicht aber durch Vernehmung anderer bei der Zeugenvernehmung anwesender Personen (BGHSt 13, 394) verwertet werden.
Achtung: Qualifizierte Belehrung
Der zweite Strafsenat will dagegen die Verwertung einer früheren Zeugenaussage durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson nur zulassen, wenn der Zeuge qualifiziert belehrt worden war, also nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht, sondern auch darüber, dass seine Aussage ggf. in einem weiteren Verfahren verwertet werden kann (BGH, Beschl. v. 4.6.2014 - 2 StR 656/13).