Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 114
Der Arbeitgeber zieht in vielen Fällen weitere Erkenntnisse aus Angaben Dritter. Hierbei sind dieselben Schranken der Informationsgewinnung zu beachten wie bei dem direkten Fragerecht gegenüber dem Bewerber. Ein prinzipieller Unterschied besteht allerdings darin, dass der Bewerber nicht mehr Herr seiner Auskünfte ist, weil dem befragten Dritten ein Geheimhaltungsinteresse fehlt.
Die Nachforschung des einstellungswilligen Arbeitgebers bei Dritten ist rechtlich grds. nicht zu beanstanden. Der Befragte kann aber u.U. Persönlichkeitsrechte des Bewerbers durch seine Auskunft verletzen, und zwar je nach deren Inhalt.
a) Backgroundchecks
Rz. 115
Größere (insbesondere internationale) Unternehmen haben – oft unter dem Einfluss ausländischen Rechts – das Bedürfnis, erweiterte Erkenntnisse über Stellenbewerber zu erlangen oder erlangte Erkenntnisse zu überprüfen. Der US-amerikanische Sarbanes-Oxley Act z.B. verpflichtet nicht nur börsennotierte US-Unternehmen, sondern auch deren ausländische Töchter, einen Ethik-Kodex einzuführen ("Code of Ethics"), um moralisch integre Verhaltensweisen im Wirtschaftsleben zu fördern. In diesem Zusammenhang wird insbesondere der strafrechtliche Hintergrund von Bewerbern untersucht sowie deren finanzielle Situation, Gesundheitszustand und psychische Verfassung.
Für derartige Backgroundchecks bestehen dieselben Schranken wie für die direkte Informationsgewinnung. Auch hier ist der Arbeitgeber auf Themen beschränkt, die in einem sachlich inneren Zusammenhang mit dem zu besetzenden Arbeitsplatz stehen, die für die Tätigkeit des Unternehmens von Bedeutung sind und die den geschützten Persönlichkeitsrechten des jeweiligen Bewerbers nicht zuwiderlaufen. Hiernach beschränkt sich der Anspruch auf die Beschaffung solcher Informationen, die bestätigen, ob der Bewerber die zulässigerweise gestellten Fragen wahrheitsgemäß beantwortet hat.
Rz. 116
Die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses kann, obwohl sich so ein evtl. krimineller Hintergrund objektiv prüfen ließe, schon deshalb nicht gefordert werden, weil das Führungszeugnis auch Erkenntnisse über solche Straftatbestände gäbe, die zu dem Arbeitsverhältnis keinen Bezug haben. Anders wird dies dagegen für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gesehen. Soweit das Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde dient, wird diese es ohnehin direkt anfordern und auf dem Behördenweg erhalten.
Rz. 117
Wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse eines Bewerbers dürfen nur dann hinterfragt werden, wenn dieser sich auf eine besondere Vertrauensposition oder auf eine leitende Stellung bewirbt. Problematisch ist aber auch in diesem Zusammenhang, dass z.B. eine SCHUFA-Auskunft i.d.R. vom Bewerber nicht verlangt werden kann, weil diese in aller Regel – in standardisierter Form – mehr Informationen enthält als für den Arbeitsplatz relevant sind.
Rz. 118
Ob ein Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren medizinische Unterlagen oder Untersuchungen verlangen kann, ist eine Frage der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Bewerbers und dem Informationsrecht des Arbeitgebers. Das Fragerecht zu Krankheiten beschränkt sich auch insoweit auf Bereiche, die für die konkret in Aussicht genommene Beschäftigung relevant sind.
b) Terrorismuslisten-Screening
Rz. 119
Im Außenhandel tätige Unternehmen können zollrechtliche Erleichterungen beanspruchen, wenn sie den Status eines sog. zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (Authorized Economic Operator = AEO) erwerben. Dafür setzten verschiedene Zollverwaltungen voraus, dass ein AEO u.a. seine Mitarbeiter anhand der sog. Terrorismuslisten der EU überprüft werden. Diese Überprüfung hat der BFH zwischenzeitlich für zulässig erklärt.
c) Internetrecherche
Rz. 120
Bereits im Juni 2009 hat eine Umfrage bei 500 Unternehmen ergeben, dass fast 30 % der befragten Unternehmen Internetrecherchen zur Bewerberüberprüfung nutzen, und zwar um so intensiver, je größer das Unternehmen ist. Dieser Wert dürfte sich in der Zwischenzeit noch gesteigert haben. Dabei wird u.a. auch auf Daten aus sozialen Netzwerken zurückgegriffen.
Die AGB freizeitorientierter Netzwerke (z.B. Facebook) untersagen durchweg die Nutzung personenbezogener Daten zu kommerziellen Zwecken. Anders stellt sich die Lage bei berufsorientierten Netzwerken dar (z.B. XING oder LinkedIn), deren Zweck gerade in der beschäftigungsbezogenen Selbstdarstellung und in der Anbahnung beruflicher und geschäftlicher Kontakte besteht. Ist der Arbeitgeber selbst Mitglied des Netzwerks, so hat er in der Regel einen erweiterten Datenzugriff.