Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
a) Allgemeines
Rz. 626
Ausschlussfristen bewirken, dass ein Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht wird. Sie dienen damit gleichsam der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Der Schuldner erlangt nach Ablauf der Frist Gewissheit darüber, dass er nicht länger mit Ansprüchen seines Gläubigers zu rechnen braucht. Von der Verjährung unterscheiden sich Ausschlussfristen in zwei wichtigen Punkten: Während die Verjährung als Einrede ausgestaltet ist und dem Schuldner dementsprechend lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht gibt (§ 214 Abs. 1 BGB), hat der Ablauf einer Ausschlussfrist rechtsvernichtende Wirkung und ist deshalb vom Arbeitsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen. Zudem unterschreiten Ausschlussfristen die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) in der Praxis zumeist deutlich. Beide Gesichtspunkte nimmt die Rechtsprechung zum Anlass einer strengen Kontrolle entsprechender Vereinbarungen.
b) Erscheinungsformen
Rz. 627
Ausschlussfristen sind in unterschiedlichen Erscheinungsformen denkbar. Einseitige Ausschlussfristen, die nur für den Arbeitnehmer zum Anspruchsverlust führen, widersprechen einer ausgewogenen Vertragsgestaltung. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer unangemessen und sind deshalb in Formulararbeitsverträgen stets nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Zweiseitige Ausschlussfristen, die für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichsam gelten, können dagegen wirksam vereinbart werden. Dies gilt sowohl für einstufige Ausschlussfristen, die zum Erlöschen eines Anspruchs führen, wenn dieser nicht innerhalb der vereinbarten Frist geltend gemacht wird, wie für zweistufige Ausschlussfristen. Von letzteren wird gesprochen, wenn es nach der erfolglosen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Vertragspartner (= 1. Stufe) noch der Klageerhebung (= 2. Stufe) bedarf, um den Anspruch vor dem Erlöschen zu bewahren.
c) Wirksamkeitsgrenzen
Rz. 628
Bei der Gestaltung von Ausschlussklauseln in Formulararbeitsverträgen ist deshalb neben der Reichweite der Klausel – welche Ansprüche sollen und können erfasst werden? – ein Augenmerk auf das Gebot transparenter Vertragsgestaltung sowie auf die Länge der Ausschlussfrist und deren Beginn zu richten. Die Berufung des Arbeitgebers, aber auch des Arbeitnehmers auf eine Ausschlussfrist kann im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen und deshalb unzulässig sein.
aa) Reichweite der Ausschlussklausel
Rz. 629
Bezieht sich eine Ausschlussfrist ohne Einschränkung auf "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis", so erfasst sie alle Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (also gesetzliche, tarifliche, vertragliche etc.). Ausschlussfristen müssen nicht auf Ansprüche "aus dem Arbeitsverhältnis" begrenzt werden. Bezieht sich die Klausel auf Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis "in Verbindung stehen", werden alle Ansprüche erfasst, die mit dem Arbeitsverhältnis tatsächlich oder rechtlich zusammenhängen; dabei werden Ansprüche aus selbstständig begründeten Rechtsverhältnissen aber nur erfasst, wenn das Rechtsverhältnis ohne das Arbeitsverhältnis nicht oder nicht zu den vereinbarten Bedingungen zustande gekommen wäre. Andererseits müssen Ausschlussfristen keinesfalls alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassen. Die Formulierung "vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" interpretiert das BAG dahingehend, dass Ansprüche aus Schadensersatz nicht erfasst sind und zwar gleichgültig, ob sie auf §§ 823 ff. BGB beruhen oder der Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten. Sollen nach dem Wortlaut der Ausschlussklausel alle "gegenseitigen Ansprüche" verfallen, werden dadurch nicht nur synallagmatische Ansprüche, sondern ebenso Ansprüche erfasst, die nicht von einer Gegenleistung abhängen. Unproblematisch können Ausschlussklauseln einzelvertragliche und abdingbare gesetzliche Rechte erfassen. Das BAG lässt daneben auch den Verfall ...