Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
a) Allgemeines
Rz. 954
Mit einer Gerichtsstandsklausel wird durch Vertrag ein an sich unzuständiges Gericht als zuständiges Gericht vereinbart, sog. Prorogation.
Dabei ist zwischen zwei verschiedenen Arten von Gerichtsstandsklauseln zu unterscheiden. Zunächst sind Vereinbarungen bzgl. des Rechtswegs möglich. So können nach § 2 Abs. 4 ArbGG durch Vereinbarung bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des Privatrechts und Personen, die kraft Gesetzes allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans der juristischen Person zu deren Vertretung berufen und damit keine Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG sind, gleichwohl vor die Gerichte für Arbeitssachen gebracht werden. Praktisch relevanter sind indessen Vereinbarungen über die örtliche Zuständigkeit.
Rz. 955
Grundsätzlich sind auch für arbeitsrechtliche Streitigkeiten Gerichtsstandsklauseln denkbar, mittels derer Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen bzgl. der Zuständigkeit des Gerichts vereinbart werden. Indessen sind solche Regelungen nur in den Grenzen der §§ 38 ff. ZPO sowie – bei bestimmten internationalen Streitigkeiten – des Art. 21 VO (EG) Nr. 44/2001 zulässig.
b) Gesetzliche Regelungen der örtlichen Zuständigkeit
Rz. 956
Gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG richtet sich die örtliche Zuständigkeit bei arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten grundsätzlich nach den Vorschriften der §§ 12 bis 40 ZPO. Mithin bestimmt sich der allgemeine Gerichtsstand im Regelfall durch den Wohnsitz des beklagten Arbeitnehmers bzw. des beklagten Arbeitgebers. Ist der Arbeitgeber eine juristische Person (§ 17 ZPO) oder in der Rechtsform der OHG oder KG organisiert, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Ort des Sitzes.
Neben den allgemeinen Gerichtsstand kann in bestimmten Fällen ein weiterer besonderer Gerichtsstand aus der ZPO treten. In Betracht kommen vor allem die besonderen Gerichtsstände des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO), der Niederlassung (§ 21 ZPO), der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) sowie der Widerklage (§ 33 ZPO).
Kommen mehrere Gerichtstände in Frage, kann der Kläger einen Gerichtsstand wählen (§ 35 ZPO). Eine einmal getroffene Wahl kann aber nicht widerrufen werden.
Rz. 957
Das ArbGG selbst enthält wenige eigenständige Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit. § 48 Abs. 2 ArbGG ermöglicht tarifvertragliche Zuständigkeitsregelungen, § 82 ArbGG regelt die örtliche Zuständigkeit bei Beschlussverfahren. Jüngeren Datums sind die Vorschriften in § 61b Abs. 2 ArbGG für Klagen wegen Benachteiligung sowie in § 48 Abs. 1a ArbGG, wonach im Urteilsverfahren auch das Arbeitsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Es handelt sich dabei um den Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt. Lässt sich ein solcher gewöhnlicher Arbeitsort nicht ermitteln, ist das Arbeitsgericht zuständig, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, vgl. § 48 Abs. 1a S. 2 ArbGG. Besondere Bedeutung kommt dieser Regelung zu, wenn Arbeitgeber ihren Beschäftigten ein überwiegendes Tätigwerden außerhalb der Betriebsstätte im Rahmen mobilen Arbeitens oder im Home Office gestatten.