Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
a) Grundsätze Datenschutz im Beschäftigungsverhältnis
Rz. 68
Der Arbeitgeber hat – schon wegen der Beweislastregel des § 22 AGG – ein manifestes Interesse an der Dokumentation des Auswahlprozesses, um erforderlichenfalls eine diskriminierungsfreie Auswahlentscheidung darlegen und beweisen zu können. Die Dokumentation sollte sich zeitlich mindestens über die in § 15 Abs. 4 AGG geforderten zwei Monate erstrecken, den Zeitraum also, innerhalb dessen Bewerber nach Zugang der Ablehnung Zeit haben, Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Berücksichtigt werden sollte auch die Klagefrist aus § 61b Abs. 1 ArbGG, wonach eine Klage aus § 15 AGG nur innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs erhoben werden kann. Die Daten sollten daher mindestens noch vier, aber maximal sechs Monate vorgehalten werden.
Dem – öffentlichen wie privatrechtlichen – Arbeitgeber ist daher dringend zu empfehlen, die Einwilligung der Bewerber zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der im Auswahlverfahren relevanten personenbezogenen Daten einzuholen, soweit keine gesetzliche Erlaubnis vorliegt (§ 26 Abs. 2 BDSG). Zuvor ist der Arbeitnehmer auf den Zweck der Datenverarbeitung hinzuweisen und über sein Widerrufsrecht nach Art. 7 Abs. 3 DSGVO aufzuklären. Die Einwilligung ist vorab in Schriftform oder elektronisch einzuholen (§ 26 Abs. 2 S. 3 BDSG). Wird sie im Zusammenhang mit anderen schriftlichen Erklärungen erteilt, so ist sie besonders hervorzuheben. Sie sollte allerdings nicht zeitgleich mit dem Arbeitsvertrag eingeholt werden, weil dies dem Grundsatz der freiwilligen Einwilligung nach § 26 Abs. 2 S. 2 BDSG entgegenstehen könnte. Der Bewerber könnte sich zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung unter Druck gesetzt fühlen, ohne die Unterzeichnung der Einwilligungserklärung auch den Arbeitsvertrag nicht zu erhalten. Besondere Arten personenbezogener Daten intimeren Charakters (Art. 9 Abs. 1 DSGVO, § 22 Abs. 1 BDSG), die vielfach auch den Schutzbereich des AGG betreffen, dürfen nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen verarbeitet werden, beispielsweise zur Ausübung arbeits- oder sozialrechtlicher Rechte und Pflichten (Art. 9 Abs. 2 DSGVO).
Rz. 69
Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist u.a. dann zulässig, wenn die Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses oder eines vertragsähnlichen Verhältnisses (zu dem auch Anbahnungsverhältnisse zählen) betroffen ist (§ 26 Abs. 1 BDSG). Dass Bewerber grundsätzlich Beschäftigten i.S.d. § 26 BDSG gleichgestellt sind und dem gleichen Schutz unterliegen, ist nun auch in § 26 Abs. 8 BDSG gesetzlich verankert.
Die Verletzung der datenschutzrechtlichen Vorschriften zieht Schadensersatzrisiken nach sich (§ 83 BDSG, Art. 82 DSGVO), Ansprüche auf Ersatz immaterieller Schäden infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergeben sich seit 2018 ebenfalls aus § 83 Abs. 2 BDSG und Art. 82 Abs. 1 DSGVO.
b) Bundesdatenschutzgesetz und DSGVO
Rz. 70
Im August 2010 war ein Gesetzesentwurf zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes (BDSG-E) von der Bundesregierung beschlossen worden, der das deutsche Bundesdatenschutzgesetz um einen Abschnitt zum Beschäftigtendatenschutz ergänzen sollte. Der Gesetzesentwurf wurde zwar in den Bundestag eingebracht, jedoch nicht in der vorgesehenen Form verabschiedet. Zunächst wurde der Gesetzesentwurf unter anderem wegen der geplanten EU-Datenschutz-Grundverordnung vorerst ausgesetzt. Zwei Jahre nach Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung am 25.5.2016 ist zum Anwendungsstichtag am 25.5.2018 auch eine neue Fassung des BDSG in Kraft getreten (siehe Rdn 71). Damit sollte dem Ziel der Vereinheitlichung und Vereinfachung der Datenschutzregeln im digitalen Binnenmarkt Rechnung getragen werden.
Rz. 71
Die DSGVO ist als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet. Sie enthält zwar keinerlei spezifische, rechtsgestaltende Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz. Allerdings sind Beschäftigte auch nach der DSGVO innerhalb ihrer Arbeitsverhältnisse nicht rechtlos. So verweisen einzelne Vorschriften der DSGVO (z.B.: Art. 9 DSGVO) auf den Mitarbeiterdatenschutz und die allgemeinen Grundätze der Datenverarbeitung (Art. 5 DSGVO) gelten selbstverständlich auch im Beschäftigtenverhältnis. Allerdings fehlt es an einer zentralen Regelungsvorschrift zu diesem Thema in der DSGVO.
Die Regelungen der DSGVO sind jedoch nicht abschließend, was sich aus Art. 88 DSGVO ergibt. Dieser enthält eine Ermächtigung der Mitgliedsstaaten, spezifischere Vorschriften für den Beschäftigtenkontext zu erlassen. Aufgrund des Anwendungsvorrangs der DSGVO bestand für den deutschen Gesetzgeber die vordringliche Aufgabe, eine Bereinigung des nationalen Rechts, orientiert an der DSGVO herbeizuführen. Ein Kernbestand der nach Art. 88 Abs. 1 DSGVO zulässigen spezifischeren Regelungen hat in § 26 BDSG seinen Niederschlag gefunden, welcher an den bisherigen § 32 BDSG a....