Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
a) Grundsätzliche Zulässigkeit von Nebentätigkeiten
Rz. 1162
Unter einer Nebentätigkeit versteht man jede entgeltliche oder unentgeltliche Tätigkeit, die ein Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit erbringt. Ob der Arbeitnehmer dabei selbstständig oder unselbstständig tätig wird, ist unerheblich. Ein Arbeitgeber kann Nebentätigkeiten im Grundsatz nicht verbieten, weil sie außerhalb des Arbeitsverhältnisses stattfinden und somit dem privaten Bereich des Arbeitnehmers zuzuordnen sind. Daraus folgt, dass Nebentätigkeiten grundsätzlich zulässig sind. Dieses deutsche Rechtsverständnis ist nunmehr auch europarechtlich geboten. Art. 9 der "Richtlinie […] über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union" verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nicht per se ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber außerhalb der Arbeitszeiten verbieten darf.
Rz. 1163
Nebentätigkeiten können allerdings zu nicht unerheblichen Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses führen. In diesem Fall sind sie unzulässig. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Arbeitnehmer für einen Wettbewerber tätig wird und dadurch gegen das jedem Arbeitsverhältnis immanente Wettbewerbsverbot verstößt. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit ausübt, die mit der geschuldeten Arbeitsleistung zeitlich oder aus anderen Gründen unvereinbar ist. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung unter der Nebentätigkeit leidet. Wenn die Ausübung der Nebentätigkeit die Interessen des Arbeitgebers bedroht, resultiert hieraus eine Anzeigepflicht des Arbeitnehmers. Richtigerweise begründet jede nicht gänzlich unerhebliche Beeinträchtigung der Arbeitskraft ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers zur Untersagung der Nebentätigkeit. Eine Beeinträchtigung der Wahrnehmung des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit kann dagegen für sich allein genommen nur in Ausnahmefällen zur Unzulässigkeit der Nebentätigkeit führen. Diese kann sich jedoch aus einem Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften ergeben. Dies ist z.B. der Fall, wenn aufgrund der Nebentätigkeit die zeitlichen Höchstgrenzen nach dem ArbZG überschritten werden oder die Nebentätigkeit eine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit darstellt (§ 8 BUrlG).
Ferner darf der Arbeitnehmer im Fall einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hinsichtlich des Hauptarbeitsverhältnisses während dieser Zeit grundsätzlich keine Nebentätigkeit ausüben, da er sich so zu verhalten hat, dass seine Genesung nicht verzögert wird.
Rz. 1164
Der Arbeitgeber kann die Unterlassung unzulässiger Nebentätigkeit verlangen und den Arbeitnehmer diesbezüglich abmahnen. Bei entsprechend gewichtigen Verstößen des Arbeitnehmers kommt zudem eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht, in schwerwiegenden Fällen sogar eine fristlose.