Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
a) Allgemeines
Rz. 1321
In unserer heutigen Gesellschaft ist die fortlaufende Aus-, Fort-, und Weiterbildung in Anbetracht der sich beständig wandelnden Arbeitsanforderungen wichtiger als je zuvor. Die Spannbreite dieser Maßnahmen ist beträchtlich: Sie reicht von der einstündigen Schulung über mehrtägige Lehrgänge bis hin zur Finanzierung des gesamten Studiums oder der sog. Musterberechtigung zum Fliegen eines Verkehrsflugzeugs. Übernimmt der Arbeitgeber nicht unerhebliche Kosten, dann tut er dies regelmäßig in der Erwartung, dass die erhöhte Qualifikation des Arbeitnehmers seinem Unternehmen zumindest für einen bestimmten Zeitraum zugutekommen wird. Die Kosten sollen sich amortisieren. Diesem Interesse dienen Rückzahlungsklauseln, die den Arbeitnehmer im Falle seines frühzeitigen Ausscheidens zur (anteiligen) Rückzahlung der Bildungskosten verpflichten. Dabei gilt zu beachten, dass der Arbeitnehmer seinerseits Schutz vor überlangen Bindungen verdient. Das gebietet die verfassungsrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit (Art. 12 GG), die auch das Recht einschließt, nicht (mehr) für einen Arbeitgeber zu arbeiten. Die Rückzahlungsklausel darf deshalb nicht zu einer übermäßigen Bindung führen.
Rz. 1322
Eine Bindung des Arbeitnehmers kann prinzipiell auch durch die Vereinbarung längerer Kündigungsfristen und deren Absicherung durch eine Vertragsstrafe geschehen. Ein solcher Weg wird in der Praxis aber meist weniger geeignet sein: Denn zum einen führt diese Lösung auch zu einer verstärkten Bindung des Arbeitgebers, weil für den Arbeitnehmer keine längere Kündigungsfrist vereinbart werden darf als für den Arbeitgeber (§ 622 Abs. 6 BGB). Zum anderen ist die Vertragsstrafe bei Kosten, die ein Bruttomonatsgehalt übersteigen, kein sicheres Gestaltungsmittel (siehe dazu unten Rdn 1618). Ohne Weiteres zulässig ist die Gewährung eines Darlehens zur Finanzierung der Ausbildungskosten. Sobald die Höhe der Darlehensschuld jedoch an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft ist, kontrolliert die Rechtsprechung die Vereinbarung anhand der zu den Rückzahlungsklauseln entwickelten Maßstäbe.
b) Wirksamkeitsgrenzen
aa) Gesetzliche Verbote
Rz. 1323
Eine Erstattung von Ausbildungskosten ist in Berufsausbildungsverhältnissen ausgeschlossen (§ 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BBiG), sofern es um Maßnahmen geht, die dem betrieblichen Bereich – im Gegensatz zum schulischen Bereich – zuzurechnen sind. Ebenfalls unzulässig wäre eine Erstattungsregelung für Fortbildungsmaßnahmen, zu deren Durchführung der Arbeitgeber – z.B. aus Gesetz oder Betriebsvereinbarung – verpflichtet ist, wie z.B. Fortbildungsmaßnahmen für eine Fachkraft für Arbeitssicherheit, vgl. § 5 Abs. 3 S. 3 ASiG. Die insoweit anfallenden Kosten hat der Arbeitgeber ohnehin zu tragen, § 111 Abs. 1 GewO.
bb) Unangemessene Benachteiligung
(1) Vereinbarungsfähigkeit eines Rückzahlungsvorbehalts ("Ob")
Rz. 1324
Der Vorbehalt der Rückzahlung der Kosten ist nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer durch die Maßnahme eine angemessene Gegenleistung erhalten hat. Ein solcher geldwerter Vorteil kann insbesondere in einer Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt, der Schaffung von realistischen beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten oder in der Einstufung in eine höhere Vergütungsgruppe liegen. Gleiches gilt, wenn die Weiterbildung erst die Voraussetzungen schafft, einen konkreten Arbeitsplatz bekleiden zu können. Dagegen reicht es nicht aus, wenn lediglich vorhandene Kenntnisse und Fertigkeiten aufgefrischt oder vertieft bzw. an neuere betriebliche Gegebenheiten angepasst werden. Ein Rückzahlungsvorbehalt beeinträchtigt in diesen Fällen den Arbeitnehmer unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und ist damit unwirksam. Er scheidet auch dort aus, wo der Arbeitgeber gesetzlich zum Tragen der Ausbildungskosten verpflichtet ist. Dies ist beispielsweise bei der Schulung von Betriebsräten der Fall (§§ 37 Abs. 6, 7 i.V.m. § 40 Abs. 1 BetrVG).