Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 397
Der Arbeitsort ist Gegenstand des Direktionsrechts (§ 106 GewO). Der Arbeitgeber kann den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist.
aa) Arbeitsort ohne vertragliche Regelung: Direktionsrecht des Arbeitgebers?
Rz. 398
§ 2 Abs. 1 Nr. 4 NachwG verpflichtet den Arbeitgeber, u.a. Folgendes schriftlich niederzulegen oder in den Arbeitsvertrag aufzunehmen: "der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann." Enthält die Niederschrift oder der Arbeitsvertrag dieser Verpflichtung zuwider keine ausdrückliche Festlegung des Arbeitsorts, so kann dies gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 NachwG ein Bußgeld nach sich ziehen. Auch kann dies in einem Arbeitsgerichtsprozess bestimmte beweisrechtliche Konsequenzen haben. Dennoch kann der Arbeitgeber den Arbeitsort auch dann grundsätzlich kraft seines Direktionsrechts bestimmen. Allerdings treten einige Fragen auf:
Rz. 399
Ist der Arbeitsort beim Fehlen vertraglicher Regelungen (konkludent) festgelegt auf den Sitz des Betriebs, wo der Arbeitnehmer regelmäßig arbeitet? Aufgrund mehrerer neuer BAG-Entscheidungen zu § 106 GewO kann eine solche konkludente Festlegung auf den Ort des Betriebssitzes nicht mehr angenommen werden. Denn in diesen Entscheidungen wird das örtliche Direktionsrecht grundsätzlich weit gefasst. Das bloße Fehlen einer ausdrücklichen Festlegung des Arbeitsortes führt also noch nicht zu einer konkludenten Festlegung.
Rz. 400
Fraglich ist ferner: Kann der Arbeitnehmer bei Fehlen ausdrücklicher wie konkludenter vertraglicher Regelungen mittels § 106 GewO im ganzen Bundesgebiet oder nur in einem gewissen Umkreis – etwa nur innerhalb der politischen Gemeinde oder aber bis zu 200 km – versetzt werden? Das BAG scheint von einer bundesweiten Versetzungsmöglichkeit auszugehen.
Rz. 401
Mittlerweile hat das BAG sogar entschieden, dass das arbeitsrechtliche Direktionsrecht grundsätzlich auch zu Versetzungen ins Ausland berechtigt. Einschränkungen sind dann aber auf der Stufe der Ausübungskontrolle zu erwägen (vgl. unten Rdn 412 ff.). Dagegen bedarf es für örtliche Versetzungen zu dem Betrieb eines Konzernunternehmens einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung. Ob eine solche gesonderte Konzernversetzungsklausel dann auch einer AGB-Kontrolle standhält, ist allerdings fraglich.
Rz. 402
Klar ist auch, dass es bei Arbeitnehmern, die kraft Tätigkeit an verschiedenen Arbeitsorten arbeiten, etwa Außendienst-, Bau- oder Montagemitarbeiter – keiner gesonderten Regelungen zum Arbeitsort bedarf. Die unterschiedlichen Arbeitsorte ergeben sich bereits aus der Position selbst. Auch dann aber ist es sinnvoll, im Arbeitsvertrag eine Rahmenregelung zum Arbeitsort zu haben. Zumal so die Verpflichtung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 NachwG erfüllt wird, wonach es eines Hinweises bedarf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann.
bb) Vertragliche Festlegung des Arbeitsorts: Einschränkung des Direktionsrechts
Rz. 403
Den Vertragsparteien steht es frei, das Direktionsrecht des Arbeitgebers einzuschränken und einen bestimmten Arbeitsort vertraglich festzulegen. Das kann im Interesse des Arbeitnehmers sein, weil ...