Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 756
Im Rahmen eines Darlehensvertrages wird dem Darlehensnehmer Kapital zur vorübergehenden Nutzung überlassen. Auch wenn ein Darlehensvertrag mit Rücksicht auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen wird, gelten grds. die allgemeinen Bestimmungen der §§ 488 ff. BGB.
Bei dem Arbeitgeberdarlehen erfolgt die Darlehensgewährung an den Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber selbst oder von einer zu einer juristischen Person verselbstständigten Sozialeinrichtung des Arbeitgebers. Dabei unterfällt die geschäftsmäßige Gewährung von Darlehen (auch) an die eigenen Arbeitnehmer zu allgemeinen marktüblichen Konditionen nicht dem Begriff des Arbeitgeberdarlehens im engeren Sinne, da dieser Vertrag unverbunden und selbstständig neben dem Arbeitsverhältnis steht. Demgegenüber werden dem Arbeitnehmer im Rahmen eines echten Arbeitgeberdarlehens typischerweise Sonderkonditionen eingeräumt, die regelmäßig in einer zinslosen oder zumindest zinsvergünstigten Überlassung des Darlehens bestehen. Auch ein Verzicht des Arbeitgebers auf eine Sicherung des Darlehens oder die Vereinbarung einer nachrangigen Sicherung ist typischer Bestandteil des Arbeitgeberdarlehens, mit dem der finanzielle Spielraum des Arbeitnehmers gegenüber anderen Kreditgebern erweitert werden kann. Arbeitgeberdarlehen werden insbesondere in größeren Unternehmen als besondere Sozialleistung gewährt, um die Betriebstreue der Arbeitnehmer zu belohnen, die Bindung an das Unternehmen zu stärken und eine zusätzliche Vergütungsmöglichkeit zu eröffnen. Auch die individuelle Notlage eines Arbeitnehmers führt bisweilen zu einer entsprechenden Darlehensvereinbarung.
Rz. 757
Das Arbeitgeberdarlehen ist von der Vorschuss- oder Abschlagszahlung abzugrenzen. Die Zahlung eines Vorschusses beinhaltet die Vorauszahlung auf das künftig zu erzielende oder fällig werdende Arbeitsentgelt, die Abschlagszahlung eine Zahlung auf bereits fällige Entgeltansprüche, deren Abrechnung noch aussteht. Vorschüssen und Abschlagszahlungen ist gemeinsam, dass mit ihnen der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers erfüllt wird, auch wenn dieser noch nicht entstanden oder abgerechnet worden ist. Zahlungen aus einem Arbeitgeberdarlehen sind demgegenüber unabhängig von gegenwärtigen oder künftigen Entgeltansprüchen. Ist unklar, ob dem Arbeitnehmer ein Darlehen oder ein Vorschuss gewährt wurde, so spricht die Vermutung für ein Darlehen, wenn der Betrag die zu erwartende Entgeltzahlung erheblich übersteigt und überdies zu einem Zweck gewährt wurde, der mit den normalen Bezügen nicht oder nicht sofort erreicht werden kann, und zu dessen Befriedigung üblicherweise Kreditmittel in Anspruch genommen werden. Für das Arbeitgeberdarlehen ist zudem charakteristisch, dass es losgelöst von dem zu erwartenden Arbeitsentgelt gezahlt und von einer Vereinbarung zur Rückzahlung in monatlichen Raten getragen wird. Im Gegensatz etwa zu einer Vereinbarung über die Rückzahlung von Aus- und Weiterbildungskosten beinhaltet ein Darlehen die Auszahlung eines Geldbetrages unmittelbar an den Arbeitnehmer selbst und zudem ist die Rückzahlungsverpflichtung unabhängig von der zukünftigen Betriebstreue.
Rz. 758
Weniger verbreitet sind Arbeitnehmerdarlehen, mit denen dem Arbeitgeber von der Belegschaft Kapital zur Verfügung gestellt wird. Mit der Gewährung von Arbeitnehmerdarlehen soll in aller Regel wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Arbeitgebers begegnet werden, motiviert durch die Hoffnung auf eine dauerhafte Erhaltung des Arbeitsplatzes. Bei dem Arbeitnehmerdarlehen wird zumeist nicht gesondertes Kapital des Arbeitnehmers zur Verfügung gestellt, sondern ein Teil des Arbeitsentgelts als Darlehen überlassen. Dabei ist das Arbeitnehmerdarlehen von der bloßen Stundung des Arbeitsentgelts abzugrenzen; nicht eindeutige Vereinbarungen sind nach dem wirklichen Willen der Parteien auszulegen. Soll das dem Arbeitgeber überlassene Entgelt verzinst werden, spricht dies für eine Darlehensvereinbarung. Verbleiben Zweifel an dem Inhalt der Vereinbarung, ist eine bloße Stundung anzunehmen, da mangels entsprechender Vereinbarung nicht angenommen werden kann, dass sich die Parteien den darlehensrechtlichen Kündigungsregeln des § 488 Abs. 3 BGB unterwerfen wollten. Die Zinseinkünfte, die der Arbeitnehmer durch die Darlehensgewährung erzielt, sind auch dann nicht Bestandteil des Arbeitsentgelts, wenn sie den marktüblichen Zinssatz überschreiten.
Rz. 759
Ungeachtet der engen Verbindung des Darlehensvertrages zu dem Bestand des Arbeitsverhältnisses bleibt das Arbeitgeberdarlehen ein rechtlich selbstständiges Rechtsverhältnis außerhalb des Arbeitsrechts. Der Arbeitnehmer ist bei Abschluss eines Arbeitgeberdarlehens als Verbraucher anzusehen, sodass die Verbraucherschutznormen der §§ 492 ff. BGB Anwendung finden, sofern nicht ein Darlehen zu Zinsen unter den marktüblichen effektiven Jahreszinsen vereinbart wurd...