Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 971
Die Annahme von Geschenken ist in vielen Arbeitsverträgen untersagt, um der Korruption vorzubeugen. Zu unterscheiden ist zwischen der Annahme von Schmiergeldern und von sog. gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenken bzw. Trinkgeldern.
aa) Schmiergelder
Rz. 972
Schmiergelder sind grundsätzlich verboten. § 299 StGB stellt die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr unter Strafe, also das Fordern, das Sich-Versprechen-Lassen und die Annahme eines Vorteils als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung oder in der Hoffnung auf eine solche. Zwar ist grundsätzlich jeder Vorteil strafrechtlich relevant, es sollen aber Trinkgelder und branchenübliche Gelegenheitsgeschenke auszunehmen sein.
Rz. 973
Hierbei kann es zu Abgrenzungsproblemen kommen, die erhebliche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben. Denn auch ohne eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung ist die Entgegennahme von Schmiergeldern arbeitsvertragswidrig. Sie eröffnet nicht nur Kündigungsmöglichkeiten, sondern führt auch zu Herausgabeansprüchen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer wegen unerlaubter Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB) und zu Ersatzansprüchen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB).
Infolge der klaren gesetzlichen Regelung sind arbeitsvertragliche Schmiergeld-Verbotsklauseln ungebräuchlich.
bb) Gelegenheitsgeschenke/Trinkgelder
Rz. 974
Nicht strafrechtswürdig und damit grundsätzlich nicht verboten ist die Annahme von üblichen Trinkgeldern oder kleinen Geschenken zum Zeichen der Verbundenheit (z.B. anlässlich Weihnachten oder Neujahr). Hierbei handelt es sich nach der Rechtsprechung um in der Wirtschaft übliche Gelegenheitsgeschenke (z.B. Kugelschreiber, Kalender, Feuerzeuge oder auch die Einladung zu einem bürgerlichen Mittagessen) mit denen kein Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter genommen werde. Das Trinkgeld darf nach Umfang und Zweckbestimmung nicht den Charakter eines Schmiergeldes haben. Das BAG sah die Grenze zum Schmiergeld jedenfalls als überschritten an bei einer zehnmaligen Zahlung von jeweils 100 DM innerhalb von vier Jahren. Gleichwohl bleibt die Abgrenzung schwierig, denn objektive Wertobergrenzen existieren nicht.
Rz. 975
Anhaltspunkte für eine Bagatellgrenze könnten z.B. aus dem EStG übernommen werden. Als steuerrechtlich irrelevant behandelt werden Geschenke an Dritte im Wert von bis zu 35 EUR (§ 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG) bzw. Aufmerksamkeiten an Arbeitnehmer bis zu 60 EUR (§ 19 Abs. 1 EStG i.V.m. LStR R 19.6 [2023]). Die Finanzverwaltung sieht hierin aber keine strikte Freigrenze, sondern nur einen Anhaltspunkt für die Beurteilung des Charakters der Zuwendung (Nichtbeanstandungsgrenze). Neben dem Wert sind weitere Umstände, wie Anlass und Rahmen, aber auch der Gegenstand der Zuwendung zu würdigen.
Rz. 976
In unternehmensinternen Ethikrichtlinien, die zur Förderung moralisch integrer Verhaltensweisen im Wirtschaftsleben zunehmend eingeführt werden, finden sich – falls die Geschenkannahme dort nicht vollständig untersagt wird – Wertobergrenzen zwischen 30 EUR und 100 EUR.
Rz. 977
Betriebsratsmitgliedern ist in Ausübung ihrer Tätigkeit die Annahme jedweder Geschenke verboten, weil dies den Tatbestand einer unzulässigen Begünstigung i.S.v. § 78 BetrVG erfüllt. Das gilt sowohl für Geschenke des Arbeitgebers als auch von dritter Seite. Aus Gründen der Vorsicht sollten Betriebsratsmitglieder jeden bösen Anschein vermeiden und Geschenke ausnahmslos zurückweisen.
Rz. 978
Trinkgelder sind im Dienstleistungsgewerbe (z.B. Gaststätten, Taxi, Friseur) üblich, während deren Annahme bei Behörden oder öffentlich-rechtlich Beliehenen (z.B. TÜV) pflichtwidrig ist. Ein Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung einem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt, § 107 Abs. 3 S. 2 GewO. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, von Dritten erlangte Geldbeträge, die von dem Dritten erkennbar mit der Zweckbestimmung als Trinkgeld überlassen werden, an die begünstigten Arbeitnehmer weiterzuleiten. Ist den Arbeitnehmern die genaue Höhe der Trinkgeldeinnahmen nicht bekannt, ist der Arbeitgeber zur Auskunft verpflichtet.
Trinkgelder gehören arbeitsrechtlich nicht zum Arbeitsverdienst, weil auf sie i.d.R. mangels arbeitsvertraglicher Vereinbarung kein Anspruch besteht. Trinkgelder stellen vorbehaltlich anderweitiger vertraglicher Vereinbarungen keinen Teil des Arbeitsentgelts in Form eines Sachbezugs dar. Arbeitnehmer können solche Trinkgelder ohne Anrechnung auf den Mindestlohn steuerfrei (§ 3 Nr. 51 EStG) entgegennehmen.
Dagegen können Trinkgelde...