Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1408
Versicherungspflichtig in den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung ist, wer gegen Arbeitsentgelt beschäftigt wird. Der Begriff der Beschäftigung erfasst gem. § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ist daher stets auch ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gegeben, wenn auch der grds. weiter reichende Begriff der Beschäftigung abhängige Beschäftigungsformen auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses erfassen kann.
Rz. 1409
Die durch eine abhängige Beschäftigung begründete Sozialversicherungspflicht führt regelmäßig auch zur Beitragspflicht, wobei die Höhe der zu entrichtenden Beiträge von der Höhe der geschuldeten Vergütung, der Beitragsbemessungsgrenze und den Beitragssätzen abhängt. Für die Feststellung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, für die richtige Berechnung der Beiträge und für deren Entrichtung an die Einzugsstelle ist gem. §§ 28d, 28e SGB IV allein der Arbeitgeber verantwortlich. Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag eines Arbeitnehmers ist gem. § 28h Abs. 1 SGB IV die Krankenkasse, bei der die Krankenversicherung des Arbeitnehmers durchgeführt wird; dieser sind unaufgefordert schriftliche Beitragsnachweise zu übermitteln, § 28f Abs. 3 S. 1 SGB IV, und die Beitragszahlungen zur Verfügung zu stellen. Die Beitragszahlung ist gem. § 23 Abs. 1 S. 2 SGB IV spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats, in dem die Beschäftigung ausgeübt worden ist, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld fällig; etwaige Restbeträge sind mit dem nächsten Fälligkeitstermin zu entrichten. Unterlässt der Arbeitgeber pflichtwidrig die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, kann er sich nach § 266a Abs. 1 StGB wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt strafbar machen; auch droht eine Eintragung in das Wettbewerbsregister.
Bemessungsgrundlage für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 342 SGB III, § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V, § 162 Nr. 1 SGB VI, § 57 Abs. 1 SGB XI). Dabei gilt für die Bestimmung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts gemäß §§ 22, 23 SGB IV das Entstehungsprinzip, nicht das Zuflussprinzip. Entscheidend für die Beitragshöhe ist demnach das geschuldete Arbeitsentgelt, nicht das tatsächlich ausgezahlte. Zahlt der Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn deshalb nicht oder nicht vollständig aus, verringert dies nicht die aus dem Mindestlohn zu berechnende Beitragsschuld. Soweit der Arbeitgeber als Generalunternehmer gemäß § 13 MiLoG i.V.m. § 14 AEntG für die Mindestlohnansprüche der Arbeitnehmer von Subunternehmern haftet, bezieht sich dies allerdings nur auf die Nettolohnforderung.
Rz. 1410
Die Beiträge werden von dem Beschäftigten und dem Arbeitgeber anteilig getragen. Da der Arbeitgeber im Außenverhältnis gegenüber den Trägern der Sozialversicherung alleiniger Beitragsschuldner ist, hat er gem. § 28g S. 1 SGB IV gegen den Arbeitnehmer einen Anspruch auf den von diesem zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Beitragsabzug kann – unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen – grds. nur bei den folgenden drei Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden. Ein späterer Abzug ist nur dann zulässig, wenn der Beitragsabzug ohne Verschulden des Arbeitgebers – etwa aufgrund einer unzutreffenden Auskunft der Einzugsstelle – unterblieben ist; in diesem Fall ist der Beitragsabzug entsprechend der Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 SGB IV innerhalb den folgenden vier Jahren vorzunehmen. Diese Grundsätze gelten auch für den vom Arbeitnehmer allein zu tragenden Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung i.S.d. § 242 SGB V.
Rz. 1411
Auch bei schuldlosem Unterlassen des rechtzeitigen Beitragsabzugs kann der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers grundsätzlich nur durch den Abzug vom Lohn des Arbeitnehmers realisiert werden. Dieser begrenzte Beitragsabzug soll den Arbeitnehmer vor dem Auflaufen hoher Beitragsforderungen und späterer Erstattungsforderungen des Arbeitgebers bewahren. Der Arbeitnehmer soll im laufenden Arbeitsverhältnis darauf vertrauen können, dass seine Entgeltansprüche nicht mit Beitragsabzügen aus länger zurückliegenden Abrechnungsperioden belastet werden. Bei beendetem Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber seinen Erstattungsanspruch daher grds. nicht mehr realisieren.
Rz. 1412
Ausnahmsweise gewährt § 28g S. 4 SGB IV eine von dem Beitragsabzugsverfahren unabhängige Möglichkeit zur Durchsetzung des Erstattungsanspruchs, wenn der Arbeitnehmer seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber obliegenden Mitteilungspflichten nach § 28o Abs. 1 SGB IV in vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Weise verletzt und dadurch die fehlende Beitragszahlung m...