Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1526
Die Verjährung begründet für den Schuldner das Recht, die geschuldete Leistung nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums dauerhaft zu verweigern. Zweck der Verjährungsvorschriften ist es dabei, den Rechtsfrieden und die Sicherheit des Rechtsverkehrs durch einen angemessenen Ausgleich von Gläubiger- und Schuldnerinteressen zu fördern. Der Gläubiger soll die Möglichkeit besitzen, seinen Anspruch innerhalb einer ausreichenden Zeitspanne geltend zu machen, während andererseits der Schuldner vor den Nachteilen bewahrt werden soll, die sich mit übermäßigem Zeitablauf aus einer drohenden Beweisnot und dem möglichem Verlust von Regressansprüchen gegen Dritte ergeben können.
Rz. 1527
Das Verjährungsrecht hat durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, das zum 1.1.2002 in Kraft getreten ist, mit entsprechenden Auswirkungen auch auf arbeitsvertragliche Ansprüche eine grundlegende Novellierung erfahren. Das Gesetz kombiniert in den §§ 195, 199 BGB eine kenntnisabhängige (relative) regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren mit einer kenntnisunabhängigen (absoluten) Höchstfrist von zehn bzw. 30 Jahren. Die frühere regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren ist damit auf drei Jahre reduziert worden; diese Verjährungsfrist gilt, unabhängig von der Anspruchsgrundlage, einheitlich auch für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die in der Vergangenheit unterschiedlich langen Verjährungsfristen unterlagen. Zudem knüpft der Beginn der Verjährungsfrist nicht mehr nur an das objektive Element der Anspruchsentstehung durch Eintritt der Fälligkeit an, sondern gem. § 199 Abs. 1 BGB subjektiv auch an die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Schuldners von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners. Dabei genügt jedoch die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen; eine möglicherweise fehlerhafte rechtliche Bewertung ist für den Eintritt der Verjährung unerheblich. Die Verjährungsfrist beginnt darüber hinaus erst mit Ablauf des Jahres, in dem alle Voraussetzungen für den Verjährungsbeginn vorliegen ("Ultimoverjährung"). Dies soll den Rechtsverkehr erleichtern und eine auf das Jahresende konzentrierte Fristenkontrolle ermöglichen.
Rz. 1528
Während arbeitsvertragliche Ausschlussfristen (vgl. Rdn 626 ff.) als rechtsvernichtende Einwendung in einem Rechtsstreit von Amts wegen zu beachten sind, muss die Verjährung als Einrede von dem Schuldner ausdrücklich geltend gemacht werden. Die Berücksichtigung der Verjährung von Amts wegen ist daher unzulässig; der richterliche Hinweis auf die Möglichkeit der Verjährungseinrede begründet dementsprechend den Verdacht mangelnder Unparteilichkeit und kann den Vorwurf der Befangenheit rechtfertigen.
Rz. 1529
Die zivilrechtlichen Verjährungsfristen haben im Arbeitsrecht eine erheblich geringere Bedeutung als im allgemeinen Zivilrecht. Grund hierfür sind die in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen weit verbreiteten vertraglichen Ausschlussfristen, mit denen die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis auf einen wesentlich kürzeren Zeitraum begrenzt wird, als in den gesetzlichen Verjährungsfristen vorgesehen ist. Vereinbarungen über eine Modifikation der Verjährung sind daher in arbeitsvertraglichen Vereinbarungen von eher untergeordneter Bedeutung.