Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1028
Während bei Außendienstmitarbeitern die Nutzung eines Home-Office seit langer Zeit üblich ist, gewinnt die Vereinbarung über die Errichtung eines Home-Office beim Abschluss von Arbeitsverhältnissen auch mit anderen Arbeitnehmern, vor allem im Dienstleistungssektor, zunehmend an Bedeutung. Die Corona-Krise und die damit zusammenhängenden Einschränkungen in allen Lebens- und Gesellschaftsbereichen haben die Bedeutung einer Home-Office-Tätigkeit und die Notwendigkeit der Regelung der Bedingungen deutlich gemacht. Nicht nur die sich ändernden gesellschaftlichen Verhältnisse und die Abkehr von der "klassischen" Rollenverteilung in einer Partnerschaft, sondern auch die zunehmend geforderte Flexibilität weckt vor allem häufig auf Arbeitnehmerseite den Wunsch, einen Teil seiner Arbeitsleistung von einem Home-Office aus erbringen zu können. Die Corona-Krise hat zudem gezeigt, dass eine Home-Office-Tätigkeit auch aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus anderen betrieblichen Gründen ein geeignetes Mittel zur Erhaltung des Arbeitsplatzes oder zur Aufrechterhaltung der betrieblichen Abläufe sein kann. Dank elektronischer Kommunikationsmittel und -wege ist die Erbringung der Arbeitsleistung von einem anderen Ort als der Dienststätte aus auch häufig möglich. Für den Arbeitgeber hat die Zustimmung zu einer Home-Office-Regelung nicht nur den Vorteil einer höheren Zufriedenheit des Arbeitnehmers, vielmehr kann eine solche Vereinbarung auch erhebliche Kostenvorteile bringen, z.B. wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers in der Betriebsstätte, während dieser im Home-Office arbeitet, anderweitig genutzt werden kann. Auch entfallen ggf. zu erstattende Fahrtkosten und Fahrtzeiten und die damit verbundenen Belastungen. Die Begründung eines gesetzlichen Anspruches des Arbeitnehmers auf Abschluss einer Home-Office-Vereinbarung wird zwar politisch diskutiert, eine gesetzliche Regelung ist aber noch nicht existent. Existent ist bisher nur ein weiterhin politisch diskutierter Referentenentwurf. Für die unter das SGB IX fallenden Arbeitnehmer kann u.U. ein Anspruch aus § 164 Abs. 4 S. 1 SGB IX (als Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz) hergeleitet werden. Auch der Arbeitgeber kann ohne eine vertragliche oder kollektivrechtliche Regelung nicht einseitig Home-Office-Tätigkeiten anordnen. Eine solche Anordnung wäre nicht mehr von den Grenzen billigen Ermessens über die Bestimmung des Ortes der Arbeitsleistung gedeckt (§ 611a BGB, § 106 GewO). Damit der Arbeitgeber gegebenenfalls auch kurzfristig zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer eine Home-Office-Tätigkeit anordnen kann oder auf der anderen Seite der Arbeitnehmer z.B. dann, wenn die Kinderbetreuung – unvorhergesehen – wegen kurzfristiger Schließung von Kitas oder Schulen ausfällt, eine Home-Office-Tätigkeit einfordern kann, sollte in den Bereichen, in denen dies technisch und organisatorisch möglich ist, der Arbeitsvertrag Regelungen zu den Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen eine Home-Office-Tätigkeit in Betracht kommt, enthalten.
Rz. 1029
Eine Vereinbarung über die Tätigkeit im Home-Office ist eine Variante der Ausgestaltung von mobiler Arbeit (vgl. Rdn 480 ff.). Anders als bei einem mobilen Office wird bei einer Home-Office-Regelung der Arbeitnehmer aber nur ausschließlich oder teilweise (im Wechsel mit einer Tätigkeit in der Betriebsstätte) an einem festgelegten und in der Regel vom Arbeitgeber eingerichteten Arbeitsplatz in seinem privaten Bereich tätig.
Rz. 1030
Normative Regelungen über die Errichtung und Ausgestaltung eines Home-Office gibt es nur vereinzelt, z.B. im HeimarbeitsG. Eine detaillierte vertragliche Regelung bei einer beabsichtigten Nutzung eines Home-Office ist daher dringend geboten, soweit nicht kollektivrechtliche Regelungen, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, entsprechende Vorgaben enthalten. Zur Vermeidung von Streitigkeiten bedarf es insbesondere einer Regelung über den Umfang der Arbeitszeit, die in einem Home-Office erbracht werden kann, der zu zahlenden Aufwandsentschädigung für die Nutzung der arbeitnehmerseitig gestellten Räumlichkeiten und der aufgewendeten Energiekosten sowie der Kosten für die Errichtung eines Home-Office. Des Weiteren muss bei der Errichtung eines Home-Office auf die Einhaltung der betrieblichen und gesetzlichen Datenschutz- und sonstigen Arbeitsschutzbestimmungen geachtet werden.
Rz. 1031
Zu beachten ist, dass die Vereinbarung eines Home-Offices im Hinblick auf die Regelung des § 48 Abs. 1a S. 2 ArbGG Auswirkungen auf den Gerichtsstand hat, wenn der Arbeitnehmer gewöhnlich vom Home-Office aus seine Tätigkeit verrichtet. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis auch an dem Ort seines Home-Offices klagen.