Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1620
Ein schon seit einiger Zeit beliebtes und im Zeitalter der "Arbeitswelt 4.0" immer attraktiveres Modell der Arbeitszeitflexibilisierung ist die Vertrauensarbeitszeit. Wie der Begriff schon vermuten lässt, lebt dieses Zeitmodell vom arbeitgeberseitigen Vertrauen in die ordnungsgemäße Erbringung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer und dessen sinnvolle eigenständige Verteilung der Arbeitszeit. Die Rechtsprechung beschreibt die Vertrauensarbeitszeit als Verzicht auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und das Vertrauen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsverpflichtung in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen werde. Der Arbeitnehmer entscheidet auf dieser Basis eigenverantwortlich über die Verteilung der zu leistenden Arbeitszeit, indem die tägliche Arbeitszeit vom Arbeitgeber innerhalb der Wochenarbeitszeit nicht angewiesen wird. Es besteht lediglich ein Zeitrahmen, innerhalb dessen der Mitarbeiter tätig wird. Dabei bestimmt der Mitarbeiter selbst den erforderlichen Zeitausgleich.
Es existiert jedoch nicht "die" Vertrauensarbeitszeit als ein striktes Modell. Vielmehr sind in den jeweiligen Vereinbarungen etwaige Konkretisierungen bzw. Einschränkungen zur freien Wahl der Lage und Verteilung der Arbeitszeit denkbar, indem z.B. Rahmenarbeitszeiten oder Kernzeiten vereinbart werden, die wiederum mit Anwesenheitspflichten gekoppelt werden können. Die Bedingungen der Vertrauensarbeitszeit können also als Rahmen geregelt werden. Die konkrete Festlegung innerhalb dieses Rahmens ist dann Sache des Arbeitnehmers.
Insgesamt bietet das Modell der Vertrauensarbeitszeit für den Arbeitnehmer den Vorteil, dass er sein privates und berufliches Leben flexibel in Einklang miteinander bringen kann, während für den Arbeitgeber der Kontroll- und Verwaltungsaufwand sinkt. Zugleich kann der Vertrauensvorschuss zur Motivationssteigerung des Arbeitnehmers beitragen, wodurch wiederum der Arbeitgeber in Form eines besseren Arbeitsprodukts profitiert.
Insofern ist der Anwendungsbereich dieses Arbeitszeitmodells in der digitalen Berufswelt weit. Während früher insbesondere Außendienstmitarbeiter für das Modell der Vertrauensarbeitszeit in Betracht kamen, ist die Anwendung heute längst nicht mehr auf diese Arbeitnehmer beschränkt. Vielmehr bietet das Modell heute einer Vielzahl von Berufsgruppen eine sinnvolle Flexibilisierungsoption. Dies gilt insbesondere für solche Beschäftigten, die bereits von Remote Work (Telearbeit, Homeoffice etc.) profitieren und so neben der örtlichen auch eine zeitliche Flexibilisierung bei der Erbringung der Arbeitsleistung nutzen können.