Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 729
Prämienlohn kann leistungsunabhängige Verhaltensanreize setzen, indem eine Prämie etwa für geringe Fehlzeiten (vgl. hierzu Rdn 300 ff.) oder für Pünktlichkeit gewährt wird. Regelmäßig soll mit der Vereinbarung eines Prämienlohns jedoch eine höhere Vergütung unmittelbar dafür gewährt werden, dass der Arbeitnehmer eine gesteigerte quantitative oder qualitative Leistung erbringt. Grundlage des Prämienlohns ist damit die individuelle Bewertung der Leistung des Arbeitnehmers, indem dessen tatsächlich erbrachte Leistung der erwarteten "Normalleistung" gegenübergestellt wird. Das Ziel einer solchen Prämie besteht darin, einen Leistungsanreiz und zugleich eine der Lohngerechtigkeit entsprechende Vergütungsstruktur zu schaffen.
Rz. 730
Zur Ermittlung der Prämiengrundlage muss daher zunächst die Normalleistung definiert werden, anhand derer die individuelle Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gemessen werden kann. Diese kann statistisch auf der Basis von Erfahrungs- oder Durchschnittswerten, aber auch arbeitswissenschaftlich ermittelt werden. Prämienlohnsysteme sind etwa von Halsey, Rowan oder Gantt entwickelt worden, die sich v.a. durch unterschiedlich ausgestaltete Prämienlohnkurven unterscheiden. Die Lohnkurve kann proportional oder antiproportional im Verhältnis zu der Bezugsgröße ansteigen, gestaffelt, degressiv oder auch progressiv ausgestaltet werden. Die Wahl des angewandten Systems hängt davon ab, welche Leistungsanreize mit dem Prämienlohn gesetzt werden sollen. Zu beachten ist dabei, dass die definierte Normalleistung eine abstrakte Berechnungsgröße zur Bemessung der Vergütung ist; sie ist deshalb nicht mit der sich aus § 611 BGB ergebenden Leistungspflicht des Arbeitnehmers gleichzusetzen. Dennoch kann eine vertrags- und pflichtwidrige Minderleistung vorliegen und entsprechend sanktioniert werden, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit nicht unter angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fähigkeiten leistet und deshalb die Normalleistung nicht erreicht.
Rz. 731
Der Prämienlohn kann als zusätzlicher Vergütungsbestandteil neben der regelmäßigen Festvergütung ("kombinierter Prämienlohn") oder ausschließlich als selbstständiger Prämienlohn ohne zusätzliche Festvergütung ausgestaltet werden. Der selbstständige Prämienlohn sollte jedoch mit einer Mindestlohngarantie verbunden werden, um eine ausreichende Vergütungsabsicherung und gleichzeitig die Erfüllung des Mindest- oder ggf. Tariflohnanspruchs zu gewährleisten; im Gegenzug bietet sich die Bestimmung einer Obergrenze an, um zu verhindern, dass durch einen übermäßigen Vergütungsanreiz eine gesundheitsschädliche Überbeanspruchung des Arbeitnehmers provoziert wird.