Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1265
Es haben sich Fallgruppen für typische Klauselinhalte herausgebildet, die die außerdienstliche Betätigung in der Freizeit betreffen, z.B. über die Zulässigkeit einer Nebenbeschäftigung, die Erhaltung und Sicherung der Arbeitsfähigkeit, das äußere Erscheinungsbild des Arbeitnehmers und den Schutz des Ansehens des Arbeitgebers in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Wirksamkeit von Klauseln mit außerdienstlichem Bezug wird durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, beschränkt und hängt stark vom Einzelfall ab.
Rz. 1266
Im Grundsatz kann gesagt werden, dass Verhaltens- und Unterlassungspflichten im Privatbereich umso eher wirksam vereinbart werden können,
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je höher das Risiko einer betrieblichen Störung ist, |
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je schwerer die Konsequenzen eines hierdurch verursachten Schadens für den Arbeitgeber oder betroffene Dritte wiegen und |
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je weniger individuelle Mühe das Befolgen der Verhaltens- bzw. Unterlassungspflicht den Arbeitnehmer kostet. |
Rz. 1267
Auch wenn die Schonung der Persönlichkeitsrechte grundsätzlich im Vordergrund steht, reduziert sich der arbeitsrechtsfreie Raum der privaten Lebensführung, sobald ein beeinträchtigender Bezug zum Arbeitsverhältnis vorhanden ist.
Rz. 1268
Arbeitsvertragliche Vereinbarungen über die private Lebensführung, die i.d.R. nicht im Wege individuellen Aushandelns, sondern in Form von AGB Vertragsbestandteil werden, unterliegen der Billigkeitskontrolle durch die Rechtsprechung gem. §§ 305 Abs. 1, 307 BGB. Im Grundsatz geht es zunächst um eine allgemeine, nicht auf die Besonderheiten des Einzelfalls bezogene Angemessenheitsprüfung, bei der allerdings im Arbeitsleben Differenzierungsmöglichkeiten durch §§ 13, 310 Abs. 3 BGB eröffnet sind. Nach der Rechtsprechung des BAG sind bei der Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Zu den konkret-individuellen Begleitumständen gehören über den Wortlaut von § 310 Abs. 4 BGB hinaus nicht nur rechtliche, sondern auch die mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen tatsächlichen Besonderheiten und Gewohnheiten, mithin
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die persönlichen Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, |
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Besonderheiten des konkreten Vertragsabschlusses (z.B. Überrumpeln, Belehren) sowie |
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etwaige untypische Sonderinteressen des Vertragspartners. |
Rz. 1269
Die Berücksichtigung dieser Umstände kann, so das BAG, sowohl zur Unwirksamkeit einer nach generell-abstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach typisierter Inhaltskontrolle unwirksamen Klausel führen.
Rz. 1270
Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind die Interessen des AGB-Verwenders abzuwägen gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Dabei sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Werden AGB für unterschiedliche Arten von Geschäften oder gegenüber unterschiedlichen Verkehrskreisen verwendet, deren Interessen, Verhältnisse oder Schutzbedürftigkeit unterschiedlich gelagert sind, kann die Abwägung zu gruppentypisch unterschiedlichen Ergebnissen führen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses eines Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Bei der stets erforderlichen wechselseitigen Abwägung der beteiligten Interessen sind auch die Grundrechte der Beteiligten zu beachten.
Rz. 1271
Vertragsklauseln müssen i.Ü. der Transparenzkontrolle statthalten, also so konkret formuliert sein, dass die betroffenen Arbeitnehmer Umfang und Tragweite der ihnen auferlegten Verhaltenspflichten konkret erkennen können. Verstöße gegen das Transparenzgebot bzw. unangemessene Benachteiligungen führen nach § 307 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit. Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt.