Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 646
In einem Formulararbeitsvertrag ist die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen unwirksam, wenn der Arbeitnehmer bei Abwägung der Interessen beider Vertragspartner durch die Befristung unangemessen benachteiligt wird. Dies folgt aus § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Das BAG wendet diese Vorschrift auf die Befristung von Haupt- und Nebenpflichten an. Auch wenn das TzBfG weder direkt noch analog auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen angewendet wird, berücksichtigt das Gericht innerhalb der vorzunehmenden Interessenabwägung, ob Umstände vorliegen, die die Befristung des Arbeitsvertrags insgesamt nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen würden. Ist dies der Fall, fällt die Interessenabwägung in der Regel zugunsten des Arbeitgebers aus. Denn ein Arbeitnehmer wird nach Ansicht des BAG durch die Teilbefristung nur bei Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände" unangemessen benachteiligt. Einen außergewöhnlichen Umstand hat das BAG bislang noch in keiner Entscheidung angenommen. Er soll jedoch vorliegen, wenn der Arbeitnehmer bei einer lediglich befristeten Arbeitszeiterhöhung den Wunsch einer dauerhaften Aufstockung der vertraglichen Arbeitszeit angezeigt hat und ein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden war, den er nach § 9 TzBfG hätte bekleiden können. Dies lässt sich verallgemeinern: Eine unangemessene Benachteiligung ist anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer bei der Vereinbarung einer Teilbefristung einen Anspruch auf unbefristete Gewährung der jeweiligen Arbeitsbedingung geltend gemacht hat und ihm dieser Anspruch im Zeitpunkt des Abschlusses der Teilbefristung auch zustand. Im Rahmen der Interessenabwägung ist ferner die im Befristungsrecht angewandte Figur des institutionellen Rechtsmissbrauchs bei Mehrfachbefristungen zu beachten. Bei der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen gelten dieselben Grundsätze wie bei Teilbefristungen.
Rz. 647
Das BAG brauchte bislang die Frage nicht zu entscheiden, ob eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB im Regelfall auch dann ausscheidet, wenn die Befristung des gesamten Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 2 und 3 TzBfG zulässig ist. Im Schrifttum ist diese Frage umstritten. Die besseren Argumente sprechen dafür, auch in diesen Fällen eine Teilbefristung zuzulassen, sofern keine "außergewöhnlichen Umstände" entgegenstehen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 und 3 TzBfG besteht typischerweise ein gegenüber dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers höher zu bewertendes Interesse des Arbeitgebers. Für den Gleichklang spricht auch, dass die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht schwieriger als die Befristung des gesamten Arbeitsvertrages sein darf (Erst-Recht-Schluss).
Kann die Teilbefristung nicht auf einen Sachverhalt gestützt werden, der zugleich die Befristung des gesamten Arbeitsvertrages rechtfertigen würde, ist zweierlei zu beachten. Erstens sind Teilbefristungen auch außerhalb der Wertungen des TzBfG möglich. Eine Teilbefristung ist daher keineswegs allein deshalb unwirksam, weil die Befristung nicht auf Umständen beruht, die eine Befristung des ganzen Arbeitsvertrages gerechtfertigt hätten. Damit gilt: Umstände, die die Befristung des Arbeitsvertrages an sich rechtfertigen, indizieren die Rechtmäßigkeit einer Teilbefristung; das Fehlen solcher Umstände ist dagegen kein Indiz für eine unangemessene Benachteiligung (siehe aber sogleich zur befristeten Arbeitszeiterhöhung). Zweitens existiert auch in diesem Bereich kein Kernbereich, der – vergleichbar mit der Rechtsprechung zu Widerrufvorbehalten (siehe dazu Rdn 1726 f.) – einer Teilbefristung ausnahmslos vorenthalten wäre.
Rz. 648
Der Umstand, dass es keinen Kernbereich gibt, schließt es nicht aus, die Höhe der befristeten Arbeitszeit bzw. des Entgelts mit in die Waagschale der Interessenabwägung zu werfen. Das BAG geht noch einen Schritt weiter: Bei einer befristeten Arbeitszeiterhöhung "in einem erheblichen Umfang" müssten Umstände vorliegen, die die Befristung des Arbeitsvertrages insgesamt rechtfertigen würden. Eine Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang liegt in der Regel vor, wenn sich das Aufstockungsvolumen auf mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses beläuft. In solchen Fällen ist daher im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen, ob ein sachlicher Grund i.S.v. § 14 Abs. 1 TzBfG die Befristung rechtfertigen könnte. Als Begründung dient die dem TzBfG zugrundeliegende Wertung: Die längerfristige Lebensplanung werde dem Arbeitnehmer nicht schon allein durch den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages ermöglicht, sondern nur dann, wenn auch der Umfang der Arbeitszeit unbefristet vereinbart werde. Bei einer befristeten Arbeitszeitverringerung ist eine solche zusätzliche Rechtfertigung dagegen nicht erforderlich. Sie gefährdet das dauerhafte Einkommen nicht, sondern sichert es im Gegenteil dadurch, ...