Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 39
§ 11 AGG knüpft – adressatenneutral – an den Begriff der "Ausschreibung" an. Rechtlich handelt es sich bei einer Ausschreibung um eine invitatio ad offerendum, nämlich um die Bekanntgabe einer Einstellungsabsicht, die darauf ausgerichtet ist, neue Bewerber für ein Arbeitsverhältnis zu gewinnen. Ob der Arbeitgeber die Ausschreibung selbst vornimmt oder sich der Unterstützung durch Dritte bedient, ist nach der Rechtsprechung des BAG und des Bundesverfassungsgerichtes für die Frage der Zurechnung unerheblich, d.h. ein Verstoß des Dritten gegen § 7 Abs. 1 AGG ist dem Arbeitgeber regelmäßig zuzurechnen. Gegen den Dritten können allerdings insoweit Regressansprüche bestehen.
Rz. 40
Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.9.2006 lag ein Fall zugrunde, in dem ein Unternehmen über die Internetseite einer Agentur für Arbeit Auszubildende als Industriekaufleute suchte. Die von der Bundesagentur eigenständig gestaltete und veröffentlichte Stellenausschreibung enthielt den Zusatz, dass männliche Bewerber bevorzugt würden. Der Arbeitgeber wurde nicht mit dem Argument gehört, er habe den Zusatz weder veranlasst noch das Onlineangebot der Agentur für Arbeit durchgesehen und gebilligt. Das BVerfG stellte dabei weniger auf die Zurechnungsnormen der §§ 278 und 831 BGB ab, sondern direkt auf den Schutzzweck von Art. 3 Abs. 2 GG. Arbeitgeber treffe, damit sie ihre Verantwortung für diskriminierungsfreie Ausschreibungen nicht auf Dritte abwälzen können, bei einer Fremdausschreibung immer die Sorgfaltspflicht, eine Stellenanzeige vor der Veröffentlichung auf ihre Ordnungsgemäßheit hin zu überwachen.
Rz. 41
Diese Auffassung ist in der Literatur auf erheblichen Widerspruch gestoßen, der zum Teil rechtsdogmatisch begründet wird, zum Teil unter dem Blickwinkel des Empfängerhorizonts, nämlich danach, wer aus Sicht des Bewerbers der Herr des Vorauswahlverfahrens ist. War dies ein Personalberater, so solle nur dieser nach § 15 Abs. 2 AGG auf Entschädigung haften, nicht dagegen der Arbeitgeber.
Rz. 42
Grds. ist auch der Personalberater zur Beachtung des AGG verpflichtet; auch insoweit gilt die Beweislastregel des § 22 AGG, wonach bereits eine aufgrund besonderer Umstände bloß vermutete unzulässige Benachteiligung durch den Personalberater die Haftung des Arbeitgebers auslöst, falls diesem der Gegenbeweis nicht gelingt. Der Arbeitgeber sollte den Personalberater daher zur Befolgung nicht nur der rechtlich zwingenden, sondern aller objektiv sinnvollen Verhaltensweisen anhalten, z.B. zur lückenlosen Dokumentation des Auswahlverfahrens und zur Aufbewahrung der Dokumentation über die gesetzliche Verjährungsfrist hinaus. Darüber hinaus sollte zwischen dem Personalberater und dem Arbeitgeber, welcher nach § 15 Abs. 2 AGG verschuldensunabhängig haftet, eine Haftungsregelung getroffen werden, die dem Arbeitgeber ermöglicht, den Personalberater und dessen Mitarbeiter in den ausgedehnten Haftungsumfang einzubeziehen.