Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 773
§ 26 BDSG ist der zentrale Erlaubnistatbestand des Arbeitnehmerdatenschutzes. § 26 BDSG regelt die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Nach § 26 Abs. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten der Arbeitnehmer dann verarbeitet werden, wenn dies (bb) für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder (cc) für die Durchführung oder Beendigung oder (dd) zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz, einem Tarifvetrag oder einer Betriebsvereinbarung ergebenden Rechte oder Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erfoderlich ist.
aa) Sachlicher Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 BDSG
Rz. 774
§ 26 Abs. 1 BDSG gilt für jede Form der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung. Er gilt auch für nicht automatisiert verarbeitete Daten. Erfasst sind damit alle Formen der Datenerhebung im Arbeitsverhältnis, auch tatsächliches Handeln oder belangloses Fragen.
bb) "Erforderlichkeit" der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung i.S.d. § 26 Abs. 1 BDSG
Rz. 775
Nach § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG muss die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses, für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich sein. Die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Arbeitnehmerdaten zur Erfüllung gesetzlicher, kollektivrechtlicher oder einzelvertraglicher Pflichten oder zur Wahrnehmung vertraglicher Rechte geeignet und erforderlich sein. Die Erforderlichkeit setzt in der Regel ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Datenverarbeitung voraus, das aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis herrühren muss und im Zusammenhang mit der Erfüllung der vom Arbeitnehmer geschuldeten vertraglichen Leistung, seiner sonstigen Pflichten oder der Pflichten des Arbeitgebers steht.
Rz. 776
Für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses sind etwa allgemeine Intelligenztests, die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen, Stressinterviews sowie Genomanalysen wegen eines übermäßigen Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre des Arbeitnehmers unzulässig. Die Frage nach Gewerkschaftszugehörigkeit, Schwangerschaft und politischen oder religiösen Aktivitäten (Ausnahmen gelten für Tendenzunternehmen) ist vor Abschluss des Arbeitsvertrages untersagt. Berechtigt ist das Interesse des Arbeitgebers an der engeren familiären Situation des Bewerbers und an seinem beruflichen Werdegang. So darf er auch nach Nebentätigkeiten und noch bestehenden Beschäftigungsverhältnissen (§§ 7 SGB V, 5 Abs. 2 SGB VI) fragen. Fragen nach dem Gesundheitszustand sowie einer etwaigen Körperbehinderung sind nur insoweit zulässig, als der Einsatz auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz gefährdet ist. Unterzieht sich ein Bewerber einer betriebsärztlichen Untersuchung, unterliegen die Ergebnisse und die Befunde der ärztlichen Schweigepflicht. Bewerberdaten dürfen nur bis zum Zeitpunkt der Entscheidung verwendet werden. Danach sind sie zu sperren, bis gewiss ist, dass keine Rechtsstreite mehr drohen. Sie sind dann zu vernichten oder dem Bewerber zurückzugeben. Ein Arbeitgeber ist einem abgelehnten Bewerber nicht zur Mitteilung darüber verpflichtet, ob die Stelle mit einem anderen Bewerber besetzt worden ist. Sollen Bewerberdaten in einem Bewerberpool gespeichert werden, bedarf es einer ausdrücklichen Einwilligung des Bewerbers. Auch beim "Active Sourcing", d.h. potenzielle Arbeitnehmer werden in sozialen Netzwerken identifiziert und kontaktiert, sind datenschutzrechtliche Vorgaben zu beachten.
Rz. 777
Für die Durchführung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigte es bislang die Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses, Daten des Arbeitnehmers zu Geschlecht, Familienstand, Schule, Ausbildung, Fachschulausbildung, Studium, Abschlüssen sowie zu Sprachkenntnissen zu speichern. Diese Daten sind für den Personaleinsatz und die Personalauswahl unabdingbar und damit erforderlich. Bei der – auch manuellen – Führung von Personalakten sind die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten. Von besonderer praktischer Bedeutung ist zudem die Erhebung von Daten zum Leistungsverhalten von Arbeitnehmern. Grundsätzlich ist die Erhebung und Speicherung von Leistungskontrollen rechtlich möglich, weil sie im häufig erforderlich ist; allerdings ist eine permanente Überwachung wegen des damit verbundenen unverhältnismäßigen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht unzulässig. Die Überwachung des Aufenthaltsortes mittels mobiler technischer Geräte (GPS oder RFID) ist grundsätzlich unzulässig, Ausnahmen können aber bei dem Einsatz von Wachpersonal oder im Außendienst in Betracht kommen. Gemäß § 6c Abs. 1 BDSG ist der Betroffene bei dem Einsatz mobiler personenbezogener Speicher- und Verarbeitungsmedien über Funktionsweise, Art der zu verarbeitenden Daten sowie seine Datenschutzrechte zu informieren. Bei dem Einsatz von Videoüberwachung in öffentlichen Räumen sind die Vorgaben des § 4 BDSG einzuhalten. Eine rechtswidrige heimliche Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Bereich führt nicht dazu, dass die Ergebnisse der Überwachung im Kündigungsschutzprozess gegen den überführten Arb...