Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1539
Das GeschGehG enthält erstmals eine Legaldefinition des Geschäftsgeheimnisses in § 2 Nr. 1 GeschGehG. Demnach ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information,
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die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Information umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und |
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die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und |
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bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. |
Rz. 1540
Die praktisch bedeutsamste Neuregelung ist das Erfordernis der objektiv feststellbaren angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch den Geheimnisinhaber nach § 2 Nr. 1b) GeschGehG. Diese Voraussetzung stellt eine Verschärfung im Vergleich zur bisherigen (nicht normierten) Definition von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach der Rechtsprechung dar. Denn nach dieser war lediglich ein subjektiver Geheimhaltungswille erforderlich, welcher in irgendeiner Form zumindest konkludent nach außen vordringt. Für Betriebsinterna wurde dieser Wille grundsätzlich vermutet, solange ein Wille zur Offenbarung nicht erkennbar war. In der Praxis waren diese Voraussetzungen so gut wie nie problematisch.
Rz. 1541
Nach der neuen Definition trifft den Arbeitgeber nun die Obliegenheit angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen, welche im Zweifelsfall zu beweisen sind und daher stets dokumentiert werden müssen. Die Voraussetzungen für die Angemessenheit von Geheimhaltungsmaßnahmen regelt das Gesetz nicht. Die Begründung zum Regierungsentwurf führt hierzu lediglich aus, dass die Art der Geheimhaltungsmaßnahme von der Art des Geschäftsgeheimnisses im Einzelnen und den konkreten Umständen der Nutzung abhängt. Die Angemessenheit richtet sich u.a. nach dem Wert und der Natur des Geheimnisses, der Größe des Unternehmens, den Kosten und der Üblichkeit von Geheimhaltungsmaßnahmen im Unternehmen.
Insgesamt sind nach dem derzeitigen Stand der Diskussion an die angemessenen Maßnahmen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es soll ausreichen, dass der Geheimnisinhaber bei einer Betrachtung ex ante sinnvolle und effiziente Maßnahmen getroffen hat, um die Information zu schützen.
Dies können neben dem physischen Schutz von Betriebsgelände und -räumen sowie Firewalls und ähnlichen Datensicherungen grundsätzlich auch rechtliche Geheimhaltungsmaßnahmen sein. Es empfiehlt sich daher noch mehr als zuvor, in Arbeitsverträgen Regelungen zur Verschwiegenheit zu vereinbaren. Derartige Vereinbarungen müssen die Gegenstände der Verschwiegenheitspflicht spezifizieren. "Catch-all"-Klauseln, die pauschal zur Geheimhaltung aller im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bekanntwerdenden Informationen verpflichten, sind unwirksam.
Eine drängende offene Frage ist in diesem Zusammenhang, ob auch gesetzliche und insbesondere die sich als vertragliche Nebenpflicht ergebenden Verschwiegenheitsverpflichtungen als angemessene Maßnahmen im Sinne des Gesetzes gesehen werden können. Dagegen spricht, dass rein begrifflich eine aus dem Gesetz oder einer vertraglichen Nebenpflicht folgende Verschwiegenheitspflicht keine Maßnahme des Geheimnisinhabers darstellt. Ein Bedürfnis für aktive Schutzmaßnahmen wird daher von Teilen der Rechtsprechung besonders betont.
In sich stimmig ist das jedoch nicht. Es ist widersprüchlich, wenn vom Geheimnisinhaber gefordert wird, zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen weitergehende, jedoch letztlich überflüssige Verschwiegenheitsvereinbarungen abzuschließen. Systematisch und auch praktisch überzeugender ist daher die Sichtweise, dass ein Geheimnisinhaber stets eine Gesamtabwägung hinsichtlich des angemessenen Geheimnisschutzes vornimmt. Da in diese Abwägung auch gesetzliche Pflichten und vertragliche Nebenpflichten einfließen, sind diese auch in der Bewertung nach § 2 Nr. 1 GeschGehG zu berücksichtigen.
Erforderlich ist daher die gesonderte Vereinbarung von Verschwiegenheitsverpflichtungen nicht – was nichts daran ändert, dass solche Klauseln sinnvoll sind, schon im Hinblick auf die abweichende Ansicht der Rechtsprechung. Neben anderen Aspekten wird eine – sogar unwirksame oder deklaratorische – Verschwiegenheitsvereinbarung angesichts ihrer Warn- und Belehrungsfunktion in der Praxis als Indiz für einen ernsthaften Geheimnisschutz gewertet werden.