Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1354
Die Verwendung von Schriftformklauseln in Arbeitsverträgen ist weit verbreitet. Unproblematisch zulässig ist allerdings lediglich die Verwendung von deklaratorischen Schriftformklauseln. Die Zulässigkeit konstitutiver Schriftformklauseln ist dagegen umstritten. Bei der Verabschiedung des AGB-Gesetzes wurde bewusst von einem absoluten Verbot solcher Abreden Abstand genommen und es der Rechtsprechung anheimgestellt, die Grenzen für derartige Klauseln zu entwickeln. Keine Änderungen für Schriftformklauseln hat das Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts vom 17.2.2016 gebracht. Im Zuge dieses Gesetzes wurde § 309 Nr. 13 BGB neu gefasst. Bei Verträgen, die nach dem 30.9.2016 geschlossen wurden, können Anzeigen oder Erklärungen nicht mehr an eine strengere Form als die Textform geknüpft werden. Diese Vorschrift gilt jedoch nur für einseitige Erklärungen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber als Verwender. Vertragliche Abreden – und damit Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrags – werden nicht erfasst, ebenso wenig einseitige Erklärungen des Arbeitgebers.
aa) Vorformulierte Schriftformklauseln
Rz. 1355
Schriftformklauseln sind wegen des Vorrangs der Individualabrede nach § 305b BGB weitgehend wirkungslos. Denn das BAG hat sowohl für einfache als auch für doppelte Schriftformklauseln entschieden, dass individuelle Abreden der Schriftformklausel vorgehen. Schriftformklauseln können folglich nicht die Wirksamkeit entgegenstehender mündlicher Abreden verhindern. Unerheblich ist dabei, ob die Parteien mit der mündlichen Absprache eine Änderung der Schriftformklausel beabsichtigt haben oder ob sie sich der Kollision mit dieser überhaupt bewusst waren. Es reicht aus, dass sie mit der mündlichen Vereinbarung rechtsverbindliche Regelungen schaffen wollen. Die Wirkung von Schriftformklauseln ist insofern lediglich appellativer Natur.
Rz. 1356
Eine doppelte – nicht: einfache – Schriftformklausel kann allerdings die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindern. Eine betriebliche Übung ist nämlich keine Individualabrede, die gem. § 305b BGB automatischen Vorrang vor der Schriftformklausel hätte. Dies setzt allerdings die Wirksamkeit der doppelten Schriftformklausel voraus. Unangemessen benachteiligend sind solche Klauseln gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB insbesondere, wenn sie bei dem Arbeitnehmer den Eindruck erwecken, dass mündliche, individuelle Abreden wegen des Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis unwirksam seien. In einem solchen Fall wird der Arbeitnehmer über die wahre Rechtslage, d.h. den Vorrang der Individualabrede nach § 305b BGB, getäuscht. Deshalb ist bei der Formulierung sowohl einfacher als auch doppelter Schriftformklauseln darauf zu achten, dass individuelle Vereinbarungen ausdrücklich vom Schriftformerfordernis ausgenommen werden.