Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1739
Zielvereinbarungen sind generell zulässig. Besteht ein Betriebsrat, so müssen dessen Beteiligungsrechte gewahrt werden – insbesondere nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Sind die Zielvereinbarungen nicht in einer Kollektivvereinbarung geregelt, so stellen sie im Regelfall Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Ihre Wirksamkeitsgrenzen ergeben sich dann aus den §§ 305 ff. BGB. Dies gilt für Rahmenvereinbarungen wie Einzelvereinbarungen gleichermaßen. Denn auch Einzelvereinbarungen sind nur in Ausnahmefällen nach § 305b BGB kontrollfrei (siehe dazu Rdn 215). Für die Annahme einer kontrollfreien Einzelvereinbarung reicht es noch nicht aus, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Ziele im beiderseitigen Einvernehmen festlegen oder der Arbeitnehmer die Zielvereinbarung insgesamt ablehnen kann. Der Arbeitgeber muss die Festlegung der Ziele vielmehr ernsthaft zur Disposition stellen und dem Arbeitnehmer damit die reale Möglichkeit einräumen, seine eigenen Vorstellungen bei der Zielbestimmung durchzusetzen. Beruht die Festlegung der Ziele auf einem unternehmenseinheitlichen Konzept, wird dies nicht möglich sein. Kontrollfrei aber bleibt die Höhe des Entgelts gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB (näher siehe Rdn 1742).
Rz. 1740
Das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) verlangt eine eindeutige Formulierung der festgelegten Ziele. Die Empfehlung, "weiche" Ziele zu vermeiden, ist jedoch differenziert zu betrachten. Die Definition solcher Ziele, deren Erreichung objektiv messbar ist, erleichtert die Handhabung und insbesondere die spätere Feststellung der Zielerreichung. Insbesondere in Zielvereinbarungen mit Führungskräften zeigt sich allerdings das Bedürfnis einer flexibleren Umschreibung der Ziele. Denn die Zielvereinbarung soll kein stures Abarbeiten von Parametern herbeiführen, da eine eigenständige Schwerpunktsetzung der Mitarbeiter erwünscht und teilweise auch erwartet wird.
Zudem muss die Zielerreichung möglich sein und darf keinen überfordernden Charakter haben. Ansonsten ist die entsprechende Klausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Letzteres wird z.B. dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer die Ziele innerhalb der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit realistischerweise nicht erreichen kann. Die entstehende Vertragslücke ist dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (siehe dazu Rdn 209 f.) zu schließen. Wird die Zielerreichung hingegen erst durch ein späteres Verhalten des Arbeitgebers beeinträchtigt oder unmöglich gemacht, schuldet dieser die variable Vergütung so, wie sie ohne das beeinträchtigende Verhalten zahlbar gewesen wäre (§ 87a Abs. 3 S. 2 HGB analog).
Rz. 1741
Ein Anspruch auf Zahlung des Zielbonus bei teilweiser Zielerreichung besteht nur bei einer entsprechenden Vereinbarung. Ansonsten schuldet der Arbeitgeber den Zielbonus nur bei voller Zielerreichung (vgl. Rdn 1740, 1745). Nicht als intransparent wurden von der Rechtsprechung daher auch Formulierungen eingestuft, bei denen sich der Bonus bei mangelndem Gewinn des Unternehmens ausdrücklich auch auf "null" belaufen konnte, auch wenn der Arbeitnehmer eine entsprechende persönliche Leistung erbracht hat.
Etwas anderes gilt allerdings nach Ansicht des BAG, wenn der Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. In diesem Fall steht ihm in der Regel trotz teilweiser Zielerreichung ein pro rata temporis Anspruch auf den Bonus zu (s. dazu Rdn 1746).
aa) Verhältnis fester/variabler Vergütungsbestandteile
Rz. 1742
Die Höhe des vereinbarten Entgelts unterliegt keiner Inhaltskontrolle (siehe dazu Rdn 188). Bei bestehender Tarifbindung darf allerdings die tarifliche Vergütung nicht unterschritten werden. Überdies ist die Grenze zum Lohnwucher zu beachten. Sittenwidrig sollen danach Vertragsgestaltungen sein, die dem Arbeitnehmer nicht die reale Chance geben, zusammen mit dem Festgehalt mindestens ⅔ des Marktüblichen zu erlangen. Auch die Vereinbarung eines reinen Leistungsentgelts ohne Mindestentgelt ist nicht zulässig, da das beim Arbeitgeber liegende Wirtschaftsrisiko weder voll...