Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 576
Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann von dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängig gemacht werden (auflösende Bedingung).
Rz. 577
§ 21 TzBfG regelt auflösend bedingte Arbeitsverträge in Konkretisierung von § 158 Abs. 2 BGB. Der auflösend bedingte Arbeitsvertrag endet dadurch, dass ein unsicheres zukünftiges Ereignis eintritt. Die Abgrenzung zwischen der Zweckbefristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG und der auflösenden Bedingung gem. § 21 TzBfG ist gelegentlich schwierig, wenngleich wegen der Verweise auf die entsprechend anwendbaren Regelungen des Befristungsrechts nicht immer von praktischer Bedeutung. Im Unterschied zu einem zweckbefristeten Arbeitsvertrag, bei dem nur der Zeitpunkt des Endes des Arbeitsverhältnisses ungewiss ist, ist bei einem auflösend bedingten Arbeitsverhältnis der Eintritt des zukünftigen Ereignisses selbst ungewiss. Bei der Zweckbefristung ist also zwar bei Vertragsschluss unsicher, wann ein bestimmtes vertragsbeendendes Ereignis eintritt; klar ist jedoch, dass es eintritt und damit die Zweckerreichung. Eine Bedingung liegt vor, je unsicherer der Eintritt eines solchen vertragsbeendendes Ereignis ist. Zur Abgrenzung: Bei der typischerweise in Arbeitsverträgen vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Vollendung des Lebensjahres, in dem gesetzliche Altersrente bezogen werden kann, handelt es sich dem BAG zufolge um eine (zulässige) Befristung (vgl. § 1b Rdn 103 f.). Die Beendigung des Arbeitsvertrags bei etwaigem Eintritt der Berufsunfähigkeit ist dagegen regelmäßig auflösende Bedingung.
Rz. 578
Die auflösende Bedingung steht der Befristung mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gleich. Denn gem. § 21 TzBfG, der keine speziellen Regelungen enthält, gelten für den auflösend bedingten Arbeitsvertrag folgende Vorschriften entsprechend:
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§ 4 Abs. 2 TzBfG – Diskriminierungsverbot (vgl. § 1b Rdn 51); |
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§ 5 TzBfG – Benachteiligungsverbot (vgl. § 1b Rdn 51); |
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§ 14 Abs. 1 und 4 TzBfG – Sachgrundbefristung und Schriftform (vgl. Rdn 579 f., 582, § 1b Rdn 37, 53 ff.); |
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§ 15 Abs. 2, 4 und 6 TzBfG – Mitteilung der Zweckerreichung, Möglichkeit der ordentlichen Kündigung und Folgen der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (vgl. § 1b Rdn 21, 33, 45 ff.); |
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§§ 16–20 TzBfG – Folgen unwirksamer Befristung, Anrufung des ArbG, Information über unbefristete Arbeitsplätze, Aus- und Weiterbildung und Information der Arbeitnehmervertretung (vgl. § 1b Rdn 46 ff.) |
§§ 22, 23 TzBfG (Gemeinsame Vorschriften) finden auch ohne Verweis Anwendung auf die auflösende Bedingung.
Rz. 579
Durch die Verweisung auf die Sachgrundbefristung gem. § 14 Abs. 1 TzBfG bedarf auch die auflösende Bedingung zu ihrer Wirksamkeit immer eines sachlichen Grundes. Ohne Sachgrund ist die auflösende Bedingung unwirksam, was sich aus der fehlenden Verweisung auf §§ 14 Abs. 2, 2a und 3 TzBfG ergibt. Einer besonderen Prüfung, ob der Kündigungsschutz umgangen werden kann, bedarf es nicht (vgl. auch § 1b Rdn 23). Als Sachgrund kommen vor allem in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe gem. § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG in Betracht (vgl. § 1b Rdn 101 ff.). Das zur Beendigung führende Ereignis darf dabei nicht der Dispositionsmöglichkeit des Arbeitgebers unterliegen. Nicht ausreichend sind teils anzutreffende Regelungen auf Landesebene, denen zufolge die Abberufung von einem kommunalen Amt zugleich ein etwa zugrunde liegendes Arbeitsverhältnis beendet.
Rz. 580
Typische Einzelfälle der auflösenden Bedingung sind:
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Ungekürzte Alters- bzw. Versorgungsrente; |
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Wiederaufleben eines Beamtenverhältnisses; |
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Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit/Erwerbsminderung – im Einzelfall ist nach dem BAG, auch unter Berücksichtigung von tariflichen Vorschriften und den Grundsätzen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM), zu beachten, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung noch die vertraglich geschuldete Leistung erbringen kann, anderweitig beschäftigt werden kann oder entsprechende Mitteilungen gegenüber dem Arbeitgeber macht; als Unterfall z.B. Fluguntauglichkeit; |
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anlässlich der Bestellung eines Arbeitnehmers zum GF eines anderen Unternehmens getroffene Vereinbarung über das Nichtwiederaufleben des zum Zweck der Fortführung der betrieblichen Altersversorgung ruhend gestellten Arbeitsverhältnisses bei Beendigung des GF-Dienstvertrags mit der anderen Gesellschaft; |
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Wegfall des Vertretungsbedarfs – ggf. in Kombination mit Zeitbefristung (vgl. § 1b Rdn 35); |
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Prozessbeschäftigung als vorläufige Fortsetzung des gekündigten Arbeitsverhältnisses bis zur rechtskräftigen Abweisung einer Kündigungsschutz- oder Bedingungskontrollklage (zu den verschiedenen Formen einer Beschäftigung während des Prozesses und deren Voraussetzungen s. § 1b Rdn 128); |
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Wegfall einer Fernsehrolle aus künstlerischen Erwägungen; |
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Entzug einer besonderen Genehmigung, z.B. der Wacherlaubnis oder der Einsatz... |