Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1659
Das Direktionsrecht erlaubt es dem Arbeitgeber, die Arbeitszeit – Arbeitsbeginn, Arbeitsende, Pausen, Gleitzeit- oder Schichtarbeit, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Verteilung auf die Wochentage, Sonntagsarbeit – auszugestalten und den betrieblichen Erfordernissen anzupassen, soweit kein höherrangiges Recht entgegensteht. Hingegen ist die Dauer der Arbeitszeit ein wesentlicher Faktor der Leistung, für die der Arbeitgeber das vereinbarte Arbeitsentgelt zahlt. Ihre Bestimmung betrifft daher die Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis, die dem einseitigen Weisungsrecht des Arbeitgebers entzogen sind. Der Arbeitgeber kann daher die Dauer der Arbeitszeit mit Blick auf den zwingenden Kündigungsschutz grundsätzlich nicht einseitig durch die Ausübung seines Direktionsrechts reduzieren oder verlängern.
In Ausübung seines Weisungsrechts ist der Arbeitgeber zur Anordnung von Überstunden nur befugt, wenn ihm dieses Recht im Arbeitsvertrag, in Tarifverträgen oder in Betriebsvereinbarungen eingeräumt wird. Ohne entsprechende Regelung ist der Arbeitnehmer nicht zur Leistung von Überstunden verpflichtet. Auch Kurzarbeit kann der Arbeitgeber nicht mittels seines Direktionsrechts einführen. Auch hier bedarf es einer individual- oder kollektivrechtlichen Grundlage. Fehlt eine entsprechende Regelung, ist die Einführung von Kurzarbeit nur durch einvernehmliche Vertragsänderung oder im Wege der Änderungskündigung möglich.
Wird zum Abbau eines zugunsten des Arbeitnehmers bestehenden Zeitsaldos Freizeitausgleich gewährt, handelt es sich regelmäßig nur um eine Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit i.S.v. § 106 S. 1 GewO. Mit der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung wird zugleich auch die Zeit bestimmt, während derer ein Arbeitnehmer keine Arbeit zu leisten hat. Beide Festlegungen unterliegen deshalb dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 S. 1 GewO. Das ermöglicht es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort nach billigem Ermessen i.S.v. § 315 Abs. 3 BGB zu bestimmen.
Rz. 1660
Der Arbeitgeber kann die Lage der Arbeitszeit gemäß § 106 S. 1 GewO nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit hierüber keine dem entgegenstehenden vertraglichen oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen getroffen sind. Die Grenzen billigen Ermessens sind gewahrt, wenn der Arbeitgeber bei der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung nicht nur eigene, sondern auch berechtigte Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt hat. Auf schutzwürdige familiäre Belange des Arbeitnehmers hat er Rücksicht zu nehmen, soweit einer vom Arbeitnehmer gewünschten Verteilung der Arbeitszeit nicht betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. Ein Dienstplan ist i.S.d. § 10 Abs. 11 S. 1 TV-Ärzte/VKA bereits dann "aufgestellt", wenn der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts die anfallenden Dienste geplant und den Dienstplan bekannt gemacht hat. Nicht erforderlich ist, dass der Betriebs- bzw. Personalrat dem Dienstplan zustimmt oder die Einigung durch die Einigungsstelle ersetzt wird. Wird in einem Betrieb der Einsatz der Arbeitnehmer üblicherweise durch einen Dienstplan geregelt, übt der Arbeitgeber sein Direktionsrecht durch die Bekanntgabe des von ihm erarbeiteten Dienstplans aus. Dadurch konkretisiert er auf individualrechtlicher Ebene die Leistungsverpflichtung der betroffenen Arbeitnehmer in zeitlicher Hinsicht. An diese Ausgangssituation knüpft § 10 Abs. 11 S. 1 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) an. Zwar hat der Betriebsrat bei der Aufstellung des Dienstplans gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen. Die Regelung in § 10 Abs. 11 S. 1 TV-Ärzte/VKA knüpft aber hieran nicht an. Sie ist betriebsverfassungs- bzw. personalvertretungsrechtlich "neutral" und betrifft ausschließlich das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Wollen die Vertragsparteien das Weisungsrecht des Arbeitgebers für die Arbeitszeitverteilung durch eine konstitutive Regelung einschränken, müssen hierfür besondere Anhaltspunkte bestehen. Das gilt auch für den Ausschluss gesetzlich und kollektivrechtlich erlaubter Sonn- und Feiertagsarbeit. Der Umstand, dass ein Arbeitgeber und seine Rechtsvorgänger während der Dauer von 30 Jahren keine Sonn- und Feiertagsarbeit anordneten, schließt die Berechtigung des Arbeitgebers hierzu nach § 106 S. 1 GewO nicht aus. Eine Änderung der ursprünglich vereinbarten Rechte und Pflichten durch sogenannte Konkretisierung in einen einseitig nicht veränderlichen Vertragsinhalt tritt nicht allein dadurch ein, dass der Arbeitnehmer längere Zeit in derselben Weise eingesetzt wurde (z.B. bisher keine Sonn- und Feiertagsarbeit zu leisten hatte). Zum reinen Zeitablauf müssen besondere Umstände hinzutreten, die erkennen lassen, dass der Arb...