Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 914
Häufig sollen mit der Freistellung – insbesondere, wenn diese bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt – zugleich bestehende (Rest-)Urlaubsansprüche erfüllt werden. Dies setzt zunächst voraus, dass der Arbeitgeber hinreichend deutlich erkennen lässt, dass durch die Freistellung der Urlaubsanspruch erfüllt werden soll. Außerdem darf die Freistellung für die Zeit der Urlaubserteilung nicht widerruflich erfolgen. Nur die unwiderrufliche Freistellung verbraucht den Urlaubsanspruch. Die Unwiderruflichkeit muss allerdings nicht gesondert erklärt werden. Erfolgt die Freistellung ausdrücklich weder widerruflich noch unwiderruflich, aber in Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche, liegt eine unwiderrufliche Freistellung vor, weil die Unwiderruflichkeit Rechtsfolge der Urlaubserteilung ist. Dagegen reicht es nicht aus, wenn der Arbeitnehmer widerruflich unter Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche freigestellt wird; in diesem Fall behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer lediglich unwiderruflich, aber nicht unter Anrechnung der Urlaubsansprüche, freigestellt wird. Möglich ist auch, den Arbeitnehmer bis zur Erfüllung der noch bestehenden Urlaubsansprüche unwiderruflich, im Übrigen widerruflich freizustellen.
Rz. 915
Eine Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch kann auch vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit einer ausgesprochenen ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung erklärt werden. Nach Rechtsprechung des BAG gewährt ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben allerdings nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt. Für den Regelfall – Ausspruch einer ordentlichen Kündigung und Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – bleibt dies ohne Konsequenz. Denn die Freistellung erfolgt in diesem Fall ohnehin entgeltlich, d.h. unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung; damit erhält der Arbeitnehmer auch die ihm zustehende Urlaubsvergütung. Relevant wird diese Rechtsprechung allerdings zum einen in dem Fall, dass der Arbeitgeber fristlos, hilfsweise ordentlich kündigt und dabei den Arbeitnehmer gleichzeitig für die Dauer der Kündigungsfrist der vorsorglichen ordentlichen Kündigung freistellt. In diesem Fall muss der Arbeitgeber ausdrücklich die vorbehaltslose Zahlung der Urlaubsvergütung in dem Kündigungsschreiben zusagen, d.h. unabhängig von der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung. Der Arbeitnehmer kann dann bei Antritt seines Urlaubs die Vergütung verlangen; nur wenn der Arbeitgeber diese leistet, wird der Urlaub verbraucht. Es reicht dagegen nicht aus, wenn dem Arbeitnehmer erst nach der rechtskräftigen Entscheidung über seine Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer wäre dann in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, da er bei Urlaubsantritt nicht wüsste, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird. Diese Rechtsprechung wird zum anderen relevant, wenn der Arbeitgeber nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung den Arbeitnehmer nicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freistellt, sondern auch während des fortdauernden Kündigungsschutzprozesses. Auch in diesem Fall können die (möglichen) Urlaubsansprüche nur bei Zahlung der Urlaubsvergütung erledigt werden.
Rz. 916
Besondere Achtsamkeit ist bei einer Kündigung mit jahresübergreifender Kündigungsfrist geboten. Spricht der Arbeitgeber beispielsweise im Dezember eine Kündigung zum 31. März des Folgejahres aus und stellt den Arbeitnehmer unter Anrechnung seiner verbleibenden Urlaubsansprüche frei, wird damit neben dem Resturlaub aus dem laufenden Kalenderjahr nur der Teilurlaub bis zum 31. März des Folgejahres erledigt – d.h. (3/12) des Jahresurlaubes im Folgejahr, vgl. § 5 Abs. 1 lit. c) BUrlG. Erweist sich die Kündigung später als unwirksam, verbleiben dem Arbeitnehmer Resturlaubsansprüche für das Folgejahr (9/12 des Jahresurlaubs). Will der Arbeitgeber dies vermeiden, muss er eindeutig erklären, dass mit der Freistellung zugleich der Anspruch auf den Vollurlaub für das Folgejahr erledigt werden soll.
Rz. 917
Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs durch eine entsprechende Freistellungserklärung ist zudem nur möglich, wenn den Arbeitnehmer überhaupt eine Arbeitspflicht im fraglichen Zeitraum traf. Wenn und solange der Arbeitnehmer während des Freistellungszeitraums arbeitsunfähig krank ist, wird er automatisch gem. § 275 Abs. 1 BGB von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung frei; er kann dann nicht mehr durch Urlaubserteilung von seiner Arbeitspflicht befreit werden.