Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
aa) Zwingende Wirkung des Kündigungsschutzrechts
Rz. 1066
Die Bestimmungen des KSchG sind einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht und können deshalb nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgeändert werden. § 626 BGB ist nach allgemeiner Auffassung sogar beidseitig zwingend, da auch der Arbeitgeber auf das Recht, eine unzumutbare vertragliche Bindung zu beenden, nicht wirksam verzichten kann (vgl. Rdn 1076 ff.). Der Arbeitnehmer kann auf den ihm zustehenden Kündigungsschutz daher nicht durch vertragliche Vereinbarung im Voraus verzichten, sondern erst dann, wenn die Kündigung tatsächlich erklärt worden ist. Vertragliche Vereinbarungen über die Zulässigkeit einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind daher unwirksam, wenn und soweit sie für den Arbeitnehmer eine Beschränkung des gesetzlichen Kündigungsschutzes beinhalten.
bb) Konkretisierung des Vertragsinhalts
Rz. 1067
Die vertragliche Vereinbarung eines Kündigungsgrundes beinhaltet zunächst eine Konkretisierung der vertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers.
Mit dem Ausspruch einer Kündigung reagiert der Arbeitgeber auf Störungen des Arbeitsverhältnisses, sodass auch nur Umstände, die einen Bezug zu dem Arbeitsverhältnis aufweisen, Anlass zur Kündigung geben können. Durch die Vereinbarung eines besonderen Kündigungsgrundes dokumentiert daher der Arbeitgeber, dass ein bestimmtes Verhalten Bestandteil der arbeitsvertraglichen Pflichtenstellung ist. Dementsprechend beziehen sich vereinbarte Kündigungsgründe regelmäßig auf typische arbeitsvertragliche Pflichtenstellungen des Arbeitnehmers. Die Erweiterung möglicher Kündigungsgründe auf außerbetriebliche Umstände, insbesondere aus dem persönlichen Bereich des Arbeitnehmers, ist grds. ebenfalls möglich, soweit der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse für sich in Anspruch nehmen kann. So kann ein kirchlicher Arbeitgeber verlangen, dass eine Arbeitnehmerin die wesentlichen Grundsätze der kirchlichen Lehre einhält. Auch andere berechtigte Interessen des Arbeitgebers können das Privatleben des Arbeitnehmers tangieren, wenn dieser etwa von einem Straßenbahnfahrer Alkoholabstinenz vor einem Arbeitseinsatz oder von einem Sportler einen Verzicht auf Doping fordert. In diesen Fällen können auch Verhaltensweisen aus dem privaten Bereich des Arbeitnehmers in die arbeitsvertragliche Pflichtenstellung einbezogen werden. Nur wenn das geforderte Verhalten keinen Bezug zu dem Arbeitsverhältnis aufweist, verstößt die Begründung einer besonderen Verhaltenspflicht gegen das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gem. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG. Unzulässig wäre es daher bspw., dem Arbeitnehmer zu untersagen, private Beziehungen mit anderen Arbeitnehmern zu unterhalten; derartige vertragliche Vereinbarungen können die arbeitsvertragliche Pflichtenstellung nicht in einer kündigungsrechtlich relevanten Weise erweitern. Auch das Gebot einer Drogen- und Alkoholabstinenz ist nur zulässig, soweit das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers in einem sachlichen Bezug zu dessen arbeitsvertraglichen Aufgaben steht.
cc) Keine Begründung absoluter Kündigungsgründe
Rz. 1068
Vereinbarungen über besondere Kündigungsgründe sehen zudem regelmäßig vor, dass bei Eintritt des vereinbarten Kündigungsgrundes eine Kündigung ohne weitere Voraussetzung zulässig sein soll. Derartige absolute Kündigungsgründe kennt das Gesetz nur ausnahmsweise noch bei den Arbeitsverhältnissen der Seeleute in § 67 SeemG. § 626 Abs. 1 BGB und § 1 Abs. 2 KSchG beinhalten demgegenüber bloße Generalklauseln, anhand derer das Vorliegen der Kündigungsberechtigung im jeweiligen Einzelfall ...