Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
aa) Einschränkung der Wartezeit
Rz. 1643
Der Verzicht auf die Wartezeit ist ebenso zulässig wie deren Verkürzung oder inhaltliche Einschränkung, da diese Regelungen für den Arbeitnehmer uneingeschränkt günstig sind. Die Wartezeit kann daher gänzlich ausgeschlossen oder zeitlich begrenzt werden. Ebenso kann die Kündigung innerhalb der Wartezeit auf bestimmte Gründe beschränkt oder für einzelne Kündigungsgründe das Erfordernis einer sozialen Rechtfertigung begründet werden. Gerade Arbeitnehmer, die aus einer gesicherten Beschäftigung abgeworben werden, bestehen häufig auf einer Beschränkung der freien Kündigungsmöglichkeit während der gesetzlichen Wartezeit.
bb) Konkludente Vereinbarung
Rz. 1644
Auch die konkludente Einschränkung der Wartezeit ist grds. möglich und wird bspw. bei einem einvernehmlichen Wechsel des Arbeitnehmers innerhalb des Konzerns oftmals vorliegen. Geht der Arbeitgeberwechsel innerhalb des Konzerns ausschließlich auf die Initiative des Arbeitgebers zurück und wird der Arbeitnehmer beim verbundenen Unternehmen zu annähernd gleichen Arbeitsbedingungen ohne Vereinbarung einer Probezeit weiterbeschäftigt, kann dies ein gewichtiges Indiz für eine entsprechende Vereinbarung sein. Ebenso wurde ein stillschweigender Ausschluss der Wartezeit in einem Fall angenommen, in dem ein aus einer gesicherten Position abgeworbener Arbeitnehmer gegenüber dem neuen Arbeitgeber erklärt hatte, er lege ausdrücklich Wert auf eine Dauerstellung. Das Abwerben eines Arbeitnehmers aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis allein genügt jedoch nicht für die Annahme einer Einschränkung der Wartezeit; derartige Vereinbarungen sollten aus Arbeitnehmersicht daher grds. in schriftlicher Form festgehalten werden, um späteren Beweisschwierigkeiten entgegenzuwirken.
cc) Vereinbarungen über die Probezeit
Rz. 1645
Auch Regelungen, mit denen "die Probezeit" beschränkt oder völlig ausgeschlossen wird, können Auswirkungen auf den Kündigungsschutz haben. Die Vereinbarung einer Probezeit führt zwar gem. § 622 Abs. 3 BGB lediglich zu einer Verkürzung der gesetzlichen Grundkündigungsfrist, ohne dass dies Auswirkungen auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG hätte (vgl. hierzu Rdn 1226 ff.). Allerdings kann die Auslegung des Arbeitsvertrages unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ergeben, dass mit der Probezeitvereinbarung Regelungen auch für die Wartezeit getroffen werden sollten. So soll nach Auffassung des LAG Köln mit einem ausdrücklichen Verzicht auf die Probezeit auch der Verzicht auf die Einhaltung der Wartezeit vereinbart sein, wenn eine Erprobung aufgrund einschlägiger Vorbeschäftigung nicht erforderlich ist, der Mitarbeiter von einem Kunden des Arbeitgebers besonders empfohlen wird und eine gesicherte Arbeitsstellung aufgibt, und die Parteien vor diesem Hintergrund unter Verzicht auf die Probezeit einen unbefristeten Arbeitsvertrag abschließen. Aufgrund der selbst in der juristischen Terminologie häufig vorzufindenden Gleichstellung der Begriffe "Probezeit" und "Wartezeit" soll der ausdrückliche Verzicht auf eine Probezeit daher insbesondere bei Vorliegen weiterer Umstände für eine Erweiterung des Kündigungsschutzes sprechen. Allerdings kommt es hier bei unklaren vertraglichen Regelungen stets auf die Umstände des Einzelfalls an; das bloße Absehen von der Vereinbarung einer Probezeit ohne das Vorliegen weiterer Umstände zwingt auch dann, wenn der Arbeitnehmer aus einer gesicherten Beschäftigung abgeworben wird, noch nicht zu der Annahme, dass mit dieser Vertragsgestaltung gleichzeitig auch die Wartezeit abbedungen werden soll. Auch der Hinweis, die Vereinbarung der Probezeit erfolge "nur pro forma", beinhaltet keinen Verzicht auf die Wartezeit.