Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1698
§ 60 Abs. 1 Alt. 1 HGB verbietet dem kaufmännischen Angestellten zunächst, ein Handelsgewerbe zu betreiben. Der reine Wortlaut ist weit gefasst und umfasst sprachlich jegliches Handelsgewerbe. Die verfassungskonforme Auslegung des § 60 HGB bedingt jedoch, dass dem kaufmännischen Angestellten nur Handelsgewerbe der Art seines Arbeitgebers untersagt sind. Hierbei ist auf die jeweilige Unternehmenssituation abzustellen. Demnach wirkt sich jede Unternehmensänderung auch auf das Ausmaß des gesetzlichen Verbotes aus. Denn nur in seinem Tätigkeitsfeld besteht für den Arbeitgeber eine Gefährdung durch die Betreibung eines Handelsgewerbes. Sonstige gewerbliche Tätigkeiten außerhalb seines Handelszweiges sind – sofern sie außerhalb der Arbeitszeit erfolgen und die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigen – gestattet.
Rz. 1699
Ein Handelsgewerbe im Sinne der Vorschrift wird dann betrieben, wenn sich der kaufmännische Angestellte als Unternehmer betätigt, wenn er beispielsweise im eigenen Namen ein Unternehmen führt. Eine persönliche Tätigkeit ist nicht ausschlaggebend. Das Verbot greift daher auch dann ein, wenn ein Strohmann vorgeschoben wird.
Rz. 1700
Bei einer reinen Beteiligung liegt das Betreiben eines Handelsgewerbes nur vor, wenn der kaufmännische Angestellte auch kaufmännisch tätig wird. Unzulässig ist demnach der Eintritt in eine OHG oder KG als persönlich haftender Gesellschafter. Kein Betreiben eines Handelsgewerbes liegt vor, wenn lediglich Aktien einer konkurrierenden Aktiengesellschaft erworben werden oder eine Beteiligung als Kommanditist vorgenommen wird, bei welcher keine Geschäfts- oder Vertretungsvollmacht eingeräumt wird. Hinsichtlich der Nebentätigkeiten zeichnet sich eine Änderung der Rechtsprechung ab. Bislang war jede Konkurrenztätigkeit zulasten des Arbeitgebers verboten, sofern nicht ausnahmsweise eine unterstützende Wirkung gänzlich ausgeschlossen werden konnte. Der Senat hat jedoch – unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 12 Abs. 1 GG – Zweifel an dieser strengen Auslegung, insbesondere bei einfachen Tätigkeiten, die keine wesentliche wirtschaftliche Unterstützung des Konkurrenten darstellen und keine schutzwürdigen Interessen des Hauptarbeitgebers berühren.
Rz. 1701
Grundsätzlich gestattet sind bloße Vorbereitungen für eine spätere Konkurrenztätigkeit. Derartige Vorbereitungshandlungen sind nur dann vom Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 HGB erfasst, wenn sie aktuelle Geschäftsinteressen des Arbeitgebers gefährden. Demnach dürfen die formalen organisatorischen Voraussetzungen für ein geplantes eigenes Unternehmen auch während des Arbeitsverhältnisses geschaffen werden, beispielsweise das Anmieten von Geschäftsräumen, der Erwerb von Waren, die Einstellung von Arbeitnehmern, die Gründung und Anmeldung etc. Unzulässig hingegen ist es, bereits für seine Tätigkeit zu werben, z.B. durch eine Internetpräsenz oder gezielte Gespräche mit Kunden zu führen.
Rz. 1702
Nach § 60 Abs. 1 2. Alt. HGB ist dem kaufmännischen Angestellten zudem jegliche selbstständige und unselbstständige Geschäftstätigkeit auf eigene oder fremde Rechnung im "Handelszweig" des Arbeitgebers verboten. Mit diesem Verbot soll eine Gefährdung der Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers vermieden werden. Unter dem Begriff des Geschäftemachens ist jede, wenn auch nur spekulative, auf Gewinnerzielung gerichtete Teilnahme am geschäftlichen Verkehr zu verstehen, die nicht nur zur Befriedigung eigener privater Bedürfnisse erfolgt. Auf den Erfolg und die Intensität der Geschäftstätigkeit kommt es nicht an, sondern lediglich auf das Ziel. Unzulässig ist daher jede Wettbewerbstätigkeit, auch wenn keine Vertragsabschlüsse erfolgen, demnach auch das vorbereitende Gespräch bei Kunden für eine spätere eigenständige Geschäftstätigkeit. Verboten ist allerdings nur eine Konkurrenztätigkeit gegenüber dem Arbeitgeber. Ist dieser konzernmäßig verbunden, besteht kein Verbot gegenüber den sonstigen Konzernunternehmen. Auch bezüglich des Verbotes der zweiten Alternative des § 60 Abs. 1 HGB kommt es auf die tatsächliche Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers an. Ändert sich diese, kann das auch Einfluss auf die Wettbewerbstätigkeit des Arbeitnehmers haben. War deren Ausübung vor der Änderung rechtmäßig, kann zugunsten des Arbeitnehmers ein Bestandsschutz gelten.