Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 296
Auch Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation können gem. § 10 BUrlG nicht auf den (gesetzlichen Mindest-) Urlaub angerechnet werden, soweit für diese Maßnahmen Entgeltfortzahlung gem. § 9 EFZG zu leisten ist. § 10 BUrlG in der vom 1.10.1996 bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung hat eine Anrechnung medizinischer Maßnahmen auf den Erholungsurlaub zwar vorübergehend zugelassen, doch ist diese Regelung zum 1.1.1999 wieder aufgehoben worden. Eine diesbezügliche Anrechnungsregelung kann sich daher ebenfalls nur auf den vertraglichen Zusatzurlaub beziehen oder die Anrechnung medizinischer Maßnahmen vorsehen, die nicht (mehr) der gesetzlichen Entgeltfortzahlung unterfallen.
Rz. 297
Die Regelung in dem vorstehenden Muster orientiert sich inhaltlich an § 10 BUrlG a.F., ist allerdings so ausgestaltet, dass sich der Arbeitgeber die Entscheidung über die einseitige Reduzierung des vereinbarten Urlaubsanspruchs vorbehält. Eine derartige Anrechnungsregelung muss in Formularverträgen den Anforderungen der §§ 308 Nr. 4, 307 Abs. 1 BGB auch dann genügen, wenn sie nur den vertraglichen Zusatzurlaub erfasst. Die Anrechnungsregelung ist daher nur wirksam, wenn dem Arbeitnehmer die Anrechnung unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers zumutbar ist. Dies dürfte bei der vorliegenden Klausel zu bejahen sein, da zum einen eine vergleichbare Regelung seinerzeit vom Gesetzgeber selbst als angemessen angesehen worden ist, und zum anderen lediglich der vertragliche Zusatzurlaub betroffen ist. Zeiten der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und medizinisch notwendiger Anschlussrehabilitationen sind von der Anrechnung ebenfalls ausgeschlossen, so dass die verbleibende Anrechnung dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Zwar werden Änderungsvorbehalte, auf deren Grundlage die Vergütung des Arbeitnehmers objektiv abgesenkt werden kann, von der Rechtsprechung nur akzeptiert, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und insbesondere den Anlass, aus dem das Änderungsrecht besteht, möglichst konkret angeben. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich die Gesamtgegenleistung des Arbeitgebers, etwa bei der Anrechnung übertariflicher Zulagen auf Tariferhöhungen nicht ändert. Dieselben Erwägungen lassen sich auch bei der Anrechnung auf Urlaubstage heranziehen; auch hier ist die Anrechnung auf einen konkreten und transparenten Aspekt reduziert. Zur Vermeidung eines möglichen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB empfiehlt es sich aber dennoch, an Stelle der einseitigen Anrechnungsbefugnis eine automatische Minderung des Urlaubsanspruchs zu vereinbaren.