Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1314
Liegen die Voraussetzungen eines Herausgabeanspruchs des Arbeitgebers vor, kann der Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer jederzeit auch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses die Rückgabe der anspruchsbefangenen Gegenstände verlangen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer die Gegenstände für die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung benötigt; allerdings gerät der Arbeitgeber in den Arbeitgeberannahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer nach Herausgabe der rückverlangten Gegenstände seine Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, weil der Arbeitgeber dann seine Verpflichtung verletzt, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer sämtliche ihm überlassenen Gegenstände unaufgefordert an den Arbeitgeber herauszugeben, sofern ihm nicht ausnahmsweise ein über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirkendes Recht zum Besitz an den entsprechenden Gegenständen zusteht. Der Arbeitnehmer kann diesem Anspruch grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die herauszugebenden Gegenstände, z.B. Geschäftsunterlagen des Arbeitgebers, an sich genommen hat, um in einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber durch Vorlage der Unterlagen bspw. das Bestehen von Provisionsansprüchen zu beweisen oder den Vorwurf eines arbeitsvertraglichen Fehlverhaltens zu widerlegen. Statt der Wegnahme derartiger Unterlagen bzw. der Verweigerung von deren Herausgabe durch den Arbeitnehmer ist dieser auf die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs zu verweisen. Selbst wenn der Arbeitnehmer gegen die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hat, über die noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, besteht kein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers an den herauszugebenden Gegenständen. Ist der Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung während des laufenden Kündigungsrechtsstreits verurteilt worden, kann der Arbeitgeber in Umsetzung der gebotenen Weiterbeschäftigung allerdings verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer diejenigen Gegenstände zur Verfügung zu stellen, die dieser benötigt, um tatsächlich im Rahmen des Weiterbeschäftigungsverhältnisses tätig werden zu können.
Der Herausgabeanspruch ist inhaltlich in erster Linie auf die körperliche Rückgabe der dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber überlassenen Gegenstände an den Arbeitgeber oder eine von diesem hierzu beauftragte Person gerichtet. Erfüllt wird der Anspruch durch tatsächliche Übergabe an den Arbeitgeber oder eine von diesem ausdrücklich oder konkludent benannte Person oder durch Zurücklassen des jeweiligen Gegenstands am bisherigen Arbeitsplatz des Arbeitnehmers. Bei durch Passwörter oder sonstige Verschlüsselungen gesicherten Dateien oder sonstigen Informationen umfasst die arbeitnehmerseitigen Herausgabepflicht auch die Verpflichtung zur Bekanntgabe oder Weitergabe des Passworts oder des Verschlüsselungscodes an den Arbeitgeber.