Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1420
Obgleich eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Beitragsübernahme über die gesetzlichen Vorgaben hinaus auf arbeitsvertraglicher Basis nicht wirksam begründet werden kann, kann die vertragliche Gestaltung die gesetzlich bestehenden Regressmöglichkeiten des Arbeitgebers zumindest verbessern.
Rz. 1421
Verletzt der Arbeitnehmer die durch § 28o Abs. 1 SGB IV begründeten Mitteilungspflichten, kann der Arbeitgeber die Erstattung der Arbeitnehmeranteile auch außerhalb des Lohnabzugsverfahrens verlangen, § 28g S. 4 SGB IV. Die Auskunfts- und Vorlagepflicht besteht auch ohne entsprechende Aufforderung durch den Arbeitgeber. Die Regelung in dem vorstehenden Muster ist daher nur deklaratorischer Natur, führt dem Arbeitnehmer die bestehende Pflichtenstellung jedoch nochmals vor Augen und rechtfertigt i.d.R. die Annahme einer zumindest grob fahrlässigen Pflichtverletzung.
Rz. 1422
Die vertragliche Konkretisierung der Mitteilungspflichten ist v.a. in denjenigen Fällen zu empfehlen, in denen der Arbeitgeber zur sachgerechten Beurteilung der Versicherungspflicht auf die Angaben des Arbeitnehmers angewiesen ist, weil dieser ungeachtet der Ausübung einer abhängigen Beschäftigung ausnahmsweise nicht oder nicht in allen Versicherungszweigen der Versicherungspflicht unterliegt. Dies gilt etwa für Studenten, v.a. aber für geringfügig Beschäftigte. Geringfügig Beschäftigte unterliegen auch in einer abhängigen Beschäftigung nicht der Sozialversicherungspflicht; der Arbeitgeber hat lediglich pauschale Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Übt der Arbeitnehmer jedoch mehrere geringfügige Beschäftigungen aus, die gem. § 8 Abs. 2 SGB IV zusammenzurechnen sind, unterliegt der Arbeitnehmer in allen Beschäftigungen der Sozialversicherungspflicht. Eine Zusammenrechnung erfolgt auch dann, wenn der Arbeitnehmer neben einer versicherungspflichtigen (Haupt-)Beschäftigung mehr als eine geringfügige Beschäftigung i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ausübt. In diesem Fall bleibt nach Auffassung der Spitzenverbände nur die zeitlich zuerst aufgenommene geringfügige Beschäftigung versicherungsfrei, während in dem nachfolgenden Beschäftigungsverhältnis Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten sind. Auch die Unkenntnis des Arbeitgebers von anderen Beschäftigungsverhältnissen des geringfügig Beschäftigten ändert nichts an dem Eintritt der Versicherungspflicht; der Arbeitgeber haftet unabhängig von seiner Kenntnis anteilig für die Beiträge aus dem mit ihm bestehenden Beschäftigungsverhältnis. Er kann auch bei ordnungsgemäßer Meldung der Beschäftigung allein aufgrund einer Untätigkeit der Einzugsstelle nicht darauf vertrauen, dass ein Beitragseinzug unterbleibt; schützenswertes Vertrauen kann nur dadurch hergestellt werden, dass eine positive Entscheidung der Einzugsstelle über die Versicherungspflicht eingeholt wird. Allerdings ist das Risiko der rückwirkenden Beitragsverpflichtung durch § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV bei geringfügig Beschäftigten dadurch gemildert, dass die Versicherungspflicht erst mit dem Tag der Bekanntgabe der Feststellung, dass keine geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung mehr vorliegt, eintritt; dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen hat, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung etwa durch Befragung des Arbeitnehmers aufzuklären.
Rz. 1423
Die Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers aus § 28o Abs. 1 SGB IV ist nicht bereits dann verletzt, wenn dieser die Höhe der Einkünfte aus einem anderen Beschäftigungsverhältnis nicht ungefragt offenbart, sofern dem Arbeitgeber jedenfalls der Bestand des zweiten Beschäftigungsverhältnisses bekannt ist. Um den erweiterten Beitragsregress zu gewährleisten, sollte von dem Arbeitnehmer daher konkret Auskunft über den Bestand anderer Beschäftigungsverhältnisse und über die Höhe der hieraus erzielten Einkünfte verlangt werden; bei wahrheitswidriger Beantwortung ist sichergestellt, dass die Erstattung der Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen auch außerhalb des Lohnabzugsverfahrens verlangt werden kann. Da formularmäßigen Erklärungen in vorformulierten Verträgen jedoch das Verbot des § 309 Nr. 12 BGB entgegensteht (vgl. Rdn 704), sollten entsprechende Erklärungen außerhalb des Vertrages, ggf. im Rahmen eines Personalfragebogens eingeholt werden.
Rz. 1424
Auch die Verletzung der Mitteilungspflicht gem. § 28o Abs. 1 SGB IV führt allerdings nicht dazu, dass der Arbeitnehmer auch die Arbeitgeberanteile an den Sozialversicherungsbeiträgen zu erstatten hätte. Diese Regelung soll nicht den Arbeitgeber vor dem Entstehen einer Beitragspflicht schützen, sondern lediglich die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Abwicklung und Erfüllung der gesetzlichen Beitragspflichten schaffen; die Verletzung der sozialrechtlichen Meldepflicht kann daher auch keinen deliktischen Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer nach § 823 Abs. 2 BGB begründen. Auch ein Nebent...