Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1344
Mit einer sog. Ersetzungsklausel verpflichten sich die Parteien, rechtsunwirksame Bestimmungen durch solche Regelungen zu ersetzen, die dem ursprünglich verfolgten Zweck wirtschaftlich am nächsten kommen, entweder durch Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts für den Arbeitgeber oder indem sich beide Parteien verpflichten, eine wirksame Ersatzbestimmung zu vereinbaren.
Die Verhandlungspflicht ist die Pflicht der Parteien, an Verhandlungen mitzuwirken, um das Ersetzungsziel und daher den Inhalt der abzugebenden Willenserklärungen genau festzulegen. Im Einzelnen bedeutet das:
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Diejenige Partei, die die Anpassung begehrt, trägt die Beweislast für das Vorliegen der Anpassungsvoraussetzungen. |
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Es besteht die Pflicht, sich überhaupt auf Verhandlungen einzulassen. |
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Darüber hinaus bestehen Informationspflichten im Hinblick auf das Verhandlungsziel. |
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Die Parteien sind verpflichtet, eigene Angebote zu machen sowie die Angebote der Gegenseite ernsthaft zu prüfen, und die Verhandlungen nicht treuwidrig zu verzögern. |
Die Ersetzungspflicht ist darauf gerichtet, das Verhandlungsergebnis in Form eines Abänderungsvertrages niederzulegen. Sie beinhaltet damit die Verpflichtung, Neuverhandlungen und damit ein Angebot zum Abschluss eines Änderungsvertrages abzugeben. Entsprechend dem Sinn und Zweck der Neuverhandlungsklausel, die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit einer Vertragsbestimmung zu vermeiden, sind die Parteien verpflichtet, den Änderungsvertrag mit Wirkung für die Vergangenheit zu schließen. Die Ersetzung der unwirksamen Klausel erfolgt also "nahtlos".
Kommt eine Vertragspartei ihrer Neuverhandlungspflicht nicht rechtzeitig oder nur ungenügend nach, hat die andere Partei möglicherweise Ansprüche auf Schadensersatz aus Verzug und Vertragsverletzung. Für die gerichtliche Durchsetzung des "Anspruchs auf Verhandlung" muss die andere Partei ggf. zunächst auf Abgabe einer Willenserklärung in Anspruch genommen werden (§ 894 ZPO); danach kann dann aus dem geänderten Vertrag geklagt werden. Aus Gründen der Prozessökonomie sollen Ansprüche auf Ersetzung und aus Ersetzung im Rahmen einer objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) gleichzeitig geltend gemacht werden.
Rz. 1345
Jedenfalls in Individualverträgen dürften Ersetzungsklauseln wirksam sein. In jedem Fall sollte die Ersetzungszuständigkeit geregelt werden, weil es gerade die Aufgabe von Ersetzungsklauseln ist, die Risiken der richterlichen Lückenausfüllung zu verhindern. Ohne eine Regelung der Ersetzungszuständigkeit würden gerade wieder Auslegungsschwierigkeiten auftauchen, und es bestünde wiederum eine ausfüllungsbedürftige Vertragslücke.
Die Ersetzungszuständigkeit kann einer Vertragspartei oder einem Dritten auferlegt werden; der Bestimmungsberechtigte kann dann bis zur Grenze seines Ermessensspielraums gehen (§ 315 BGB). Das vereinbarte Ersetzungsverfahren dürfte schneller ablaufen als das Klageverfahren auf gerichtliche Ersetzung (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB, § 319 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Bestimmungsrecht kann einem Dritten eingeräumt werden (etwa: Schiedsgutachter der zuständigen Industrie- und Handelskammer oder eines Berufsverbandes). Die Leistungsbestimmung eines Dritten ist gerichtlich nur auf offenbare Unbilligkeit zu überprüfen, § 319 Abs. 1 BGB. Vor der Entscheidung durch Dritte können vorhandene sachkundige Personen (z.B. Rechtsanwälte oder Wirtschaftsberater) als Schiedsgutachter in der Ersetzungsklausel vorgesehen oder deren Bestellung ermöglicht werden. Es soll ein gewisser Einigungsdruck, aber keine Pflicht zur Verhandlung oder gar Ersetzung entstehen, wie sie die Neuverhandlungsklausel vorsieht.