Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1425
Bestehen Zweifel an der zutreffenden Statusbeurteilung des Mitarbeiters, kann sich der Arbeitgeber letztlich nur durch Einschaltung der Sozialversicherungsträger vor nachträglichen Beitragszahlungen wirksam schützen. Dabei bietet sich v.a. die Einleitung eines statusbezogenen Anfrageverfahrens gem. § 7a SGB IV an, das auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses noch durchgeführt werden kann. In diesem Verfahren, das nur zulässig ist, solange über die Versicherungspflicht noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist, entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund auf Antrag eines der Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht nur über das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern insgesamt über die Versicherungspflicht. Im Gegensatz zu der Statusentscheidung im Rahmen einer regelmäßigen Betriebsprüfung hat dieses Verfahren den Vorteil, dass die Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe der Entscheidung eintritt, wenn das Statusverfahren binnen eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung eingeleitet wird, der Beschäftigte dem späteren Beginn der Versicherungspflicht zustimmt und in der Zwischenzeit eine den gesetzlichen Versicherungssystemen entsprechende Absicherung des Arbeitnehmers gegen Krankheit und Alter bestanden hat, § 7a Abs. 5 SGB IV. Außerhalb dieses Anfrageverfahrens wird die Versicherungspflicht bei Vorliegen derselben Voraussetzungen nur dann auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe verlagert, wenn nicht einer der Parteien Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der fehlerhaften Statusbeurteilung vorzuwerfen ist.
Rz. 1426
Durch das Anfrageverfahren kann der Arbeitgeber daher die Beitragsrisiken für die Vergangenheit minimieren. Dazu ist jedoch die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. Ob diese Zustimmung bereits im Rahmen des Arbeitsvertrags wirksam erteilt werden kann, ist von der Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt. Eine Nichtigkeit gem. § 32 SGB I ist jedenfalls nicht zwingend, da etwaige versicherungsrechtliche Nachteile, die der Arbeitnehmer durch den späteren Eintritt der Versicherungspflicht erleiden mag, auch bei einer späteren Zustimmungserklärung eintreten würden. In Formularverträgen dürfte eine vorformulierte Zustimmungserklärung jedoch als Tatsachenbetätigung mit dem Klauselverbot des § 309 Nr. 12 BGB kollidieren (vgl. Rdn 704). Die Zustimmungserklärung sollte daher vorsorglich außerhalb eines Formularvertrages individuell eingeholt werden.
Rz. 1427
Alternativ besteht in Zweifelsfällen für den Arbeitgeber die Möglichkeit, den Arbeitnehmer als versicherungspflichtig Beschäftigten zu behandeln und die Beiträge unter Einbehaltung des Arbeitnehmeranteils bis zu einer statusbezogenen Entscheidung an die Einzugsstelle abzuführen; auch in diesem Fall kann das Anfrageverfahren gem. § 7a SGB IV durchgeführt werden. Stellt sich nachträglich heraus, dass eine Versicherungspflicht nicht bestand, werden die Beiträge jeweils anteilig an Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstattet.