Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1070
Die Vereinbarung absoluter Kündigungsgründe muss dennoch kündigungsrechtlich nicht ohne jede Auswirkung bleiben. Mit Blick auf den Umstand, dass bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen in aller Regel eine vorherige Abmahnung erforderlich ist, ist es insbesondere denkbar, in einem vereinbarten Kündigungsgrund eine Form der antizipierten Abmahnung zu sehen. Zwar enthält eine abstrakte vertragliche Regelung nicht die pointierte Warnfunktion, die eine individualisierte, auf ein konkretes Fehlverhalten des Arbeitnehmers bezogene vorweggenommene Abmahnung entfaltet, sodass eine entsprechende vertragliche Regelung der Abmahnung nicht uneingeschränkt gleichgestellt werden kann. Nach allgemeiner Auffassung ist eine Abmahnung jedoch dann nicht mehr erforderlich, wenn für den Arbeitnehmer von vornherein erkennbar war, dass der Arbeitgeber das gezeigte Verhalten auf keinen Fall dulden werde. Eine solche Erkennbarkeit kann durch die Vereinbarung besonderer Kündigungsgründe hergestellt werden, da in ihr deutlich zum Ausdruck kommt, welche Verhaltensweisen der Arbeitgeber als für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses besonders bedeutsam einstuft. Ist dem Arbeitnehmer aufgrund der vertraglichen Regelung bekannt, dass der Arbeitgeber einen bestimmten Sachverhalt als absoluten Kündigungsgrund ansieht, wird ihm gleichermaßen bewusst sein, dass eine Duldung durch den Arbeitgeber nicht zu erwarten ist. Im Einzelfall kann daher die Vereinbarung eines absoluten Kündigungsgrundes dazu führen, dass eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht mehr erforderlich ist.
Rz. 1071
Zumindest aber kann sich die Vereinbarung eines absoluten Kündigungsgrundes bei der abschließenden Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken. Die Vereinbarung, dass ein bestimmter Umstand einen Grund zur fristlosen Entlassung bilden solle, gibt immerhin einen Anhalt dafür, dass dieser Umstand für die Durchführung des Vertrages eine maßgebende Bedeutung hat und damit als Grund für eine vorzeitige Beendigung besonders wichtig erscheint. Dies darf bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen nicht unberücksichtigt bleiben und kann die Abwägungsschwerpunkte entsprechend verlagern. Allerdings hat das BAG in einer Entscheidung von 24.6.2004 sehr betont darauf abgestellt, dass die dort zu beurteilende Kündigungsregelung in einem Tarifvertrag enthalten war; ob auch individualvertragliche Vereinbarungen in gleicher Weise Einfluss auf die Interessenabwägung nehmen können, ist bislang nicht abschließend geklärt.