Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1290
Vornehmlich in Tendenzbetrieben, Kirchen und kirchlichen Einrichtungen wird eine außerdienstliche Interessenwahrung eine größere Rolle spielen. Die Loyalitätspflicht zwingt den Arbeitnehmer zur Rücksichtnahme auf die Tendenz des Arbeitgebers, also insbesondere auf dessen konfessionelle, wissenschaftliche oder künstlerische Ziele. Auf diese Ziele sollte eine Vertragsklausel konkreten Bezug nehmen.
Rz. 1291
Einer gesonderten Betrachtung bedarf die Zugehörigkeit zur Scientology Organisation bzw. die "Scientology Kirche Hamburg e.V.", die nach der Rechtsprechung des BAG keine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft i.S.d. Art. 4, 140 GG, Art. 137 WRV ist. Sie zielt auf die Eroberung organisatorischer Schlüsselpositionen in Wirtschaft und Verwaltung und damit primär auf wirtschaftlichen Erfolg ab. Da aus diesem Grund befürchtet wird, dass ein Scientology-Angehöriger persönliche Absichten in Bezug auf den Arbeitsplatz über die Interessen des Arbeitgebers stellt, wurde dem Arbeitgeber im Zuge der Vertragsanbahnung (vgl. oben Rdn 103) ein uneingeschränktes schützenswertes Interesse an der Klärung der Zugehörigkeitsfrage zugebilligt. Dies gilt insbesondere bei Vertrauenspositionen und sicherheitsrelevanten Bereichen, aber auch im öffentlichen Dienst.
Das BVerwG hat – allerdings ohne die Frage zu beantworten, ob Scientology eine Religionsgemeinschaft sei – Scientology als Weltanschauungsgemeinschaft eingeordnet und unter den Schutz des Art. 4 Abs. 1 GG gestellt. Auch wenn die Entscheidung im Schrifttum kritisiert wurde, ist ungewiss, ob sich die Mitglieder dieser Organisation nicht auch auf §§ 7 und 1 AGG berufen können, auch wenn dies bisher eher verneint wird. Jedenfalls haben Gerichte in Frankreich und den USA Scientology als Religionsgemeinschaft anerkannt. Es empfiehlt sich daher, die Frage nur bei der Besetzung von besonderen Vertrauenspositionen zu stellen. Zukünftig könnte Literaturstimmen zufolge das Fragerecht unter dem Blickwinkel des AGG eine Neubewertung notwendig machen wegen des dort normierten Diskriminierungsverbotes hinsichtlich Religion und Weltanschauung.
Im laufenden Arbeitsverhältnis ist das Fragerecht zu Scientology differenziert zu betrachten. Nach einer Entscheidung des ArbG München muss ein seit neun Jahren beschäftigter Arbeitnehmer ohne konkreten Anlass einen Fragebogen über seine Scientology-Beziehung nicht ausfüllen. Jugendbetreuer dagegen, die für Scientology bei ihnen anvertrauten Jugendlichen werben, verstoßen gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten, ebenso wie Betriebsratsmitglieder, soweit sie durch Scientology-Werbung innerhalb und außerhalb der Arbeitszeit den Betriebsfrieden stören.
Rz. 1292
Wenn die Frage nach der Scientology-Zugehörigkeit ein zulässiges Auswahlkriterium bei der Vertragsanbahnung ist, so muss sie konsequenterweise auch ein zulässiger Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen sein können. Insoweit kommen die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung, wonach eine evtl. Mitgliedschaft sich nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken und dort zu verhältnismäßig schwerwiegenden Störungen führen müsste (vgl. oben Rdn 1266).
Zu beachten ist bei der Formulierung einer Vertragsklausel, dass Mitglieder der Scientology Organisation aus eigener Sichtweise sich nur dann wahrheitsgemäß erklären müssen, wenn sie Angaben über eine Mitgliedschaft in der IAS (International Association of Scientologists) bzw. darüber machen sollen, ob sie die Techniken/Technologien oder Lehren von L. Ron Hubbard anwenden.