Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 725
Provisionsansprüche können auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch entstehen, wenn ein später abgeschlossenes oder ausgeführtes Geschäft maßgeblich noch auf der Vermittlungstätigkeit des Arbeitnehmers vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruht (sog. Abverkaufs- oder Überhangprovision). Der Anspruch auf die Überhangprovision gem. § 87 Abs. 1 S. 1 HGB analog entsteht für Geschäfte, die noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses abgeschlossen, aber erst nach dessen Beendigung ausgeführt werden. Für Geschäfte, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen werden, richtet sich der Anspruch auf die Überhangprovision nach § 87 Abs. 3 HGB analog, sodass insoweit ein Provisionsanspruch bspw. nur dann entsteht, wenn der Geschäftsabschluss überwiegend auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen und innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustande gekommen ist (§ 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 HGB analog). Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG war ungeachtet der grundsätzlichen Disposivität des § 87 HGB davon auszugehen, dass der Anspruch aus § 87 Abs. 3 HGB analog nicht abdingbar ist, da dem Handlungsgehilfen im Gegensatz zu dem selbstständigen Handelsvertreter ein Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB nicht zusteht. Der Anspruch aus § 87 Abs. 1 S. 1 HGB analog sollte nur aus sachlichem Grund abbedungen werden können; anerkannt wurde insoweit auch eine kompensatorische Vertragsgestaltung dahingehend, dass in den ersten Monaten des Arbeitsverhältnisses, in denen eigene Geschäftserfolge von dem Arbeitnehmer i.d.R. noch nicht erzielt werden können, Provisionen aus den von dem Vorgänger vermittelten Geschäften oder Mindestprovisionen gezahlt wurden. Ob an dieser Rechtsprechung künftig festgehalten wird, hat das BAG inzwischen ausdrücklich offen gelassen, da einiges dafür spreche, die Ansprüche auf Überhangprovision einheitlich zu behandeln. Überdies ist in Formularverträgen darüber hinaus gem. § 307 Abs. 1 BGB auf die inhaltliche Angemessenheit der vertraglichen Vereinbarung zu achten. Eine Kürzung der Überhangprovision auf die Hälfte ist nach Auffassung des BAG bspw. dann unzulässig, wenn diejenigen Arbeitsleistungen, die den Provisionsanspruch begründen, bereits vollständig erbracht sind, der zeitliche Abstand zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Entstehen des Provisionsanspruchs unangemessen kurz ist, und wenn nicht nach dem Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses differenziert wird. Die vertragliche Einschränkung der Überhangsprovision wird damit kaum noch wirksam vereinbart werden können; selbst die vertragliche Konkretisierung der "angemessenen Frist" gem. § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 HGB analog kann eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen.