Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 105
Zurückliegende Vorstrafen berühren das zu begründende Arbeitsverhältnis nicht. Das Fragerecht besteht nur insoweit, wie eine Vorstrafe für den offenen Arbeitsplatz relevant ist. Relevanz besteht insoweit nur, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes das Fehlen einer einschlägigen Vorstrafe erfordert, z.B. wenn sich ein mehrfach wegen Verkehrsdelikten Vorbestrafter als Kraftfahrer oder ein verurteilter Dieb und Hehler als Lagerhalter bewirbt. Ob eine Vorstrafe im Rechtssinne vorliegt, bestimmt sich grds. nach § 53 Abs. 1 BZRG.
Rz. 106
Die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses kann, obwohl sich so ein evtl. krimineller Hintergrund objektiv prüfen ließe, schon deshalb nicht gefordert werden, weil das Führungszeugnis auch Erkenntnisse über solche Straftatbestände gäbe, die zu dem Arbeitsverhältnis keinen Bezug haben. Anders wird dies dagegen für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gesehen. Soweit das Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde dient, wird diese es ohnehin direkt anfordern und auch auf dem Behördenweg erhalten.
Eine weitere Ausnahme stellt das Erfordernis eines sog. "erweiterten Führungszeugnisses" dar. Durch die Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes wurde Arbeitgebern in § 72a Abs. 1 SGB XIII das Recht eingeräumt, sich von Angestellten und Bewerbern unter den Voraussetzungen des § 30a BZRG ein erweitertes, polizeiliches Führungszeugnis vorlegen zu lassen.
Rz. 107
Ohne konkreten Bezug der Verurteilung zur beabsichtigten Beschäftigung kommt ein weitergehendes Fragerecht nur dann in Betracht, wenn dem Bewerber eine besondere Vertrauensstellung oder eine Führungsposition eingeräumt werden soll. Eine Differenzierung zwischen den Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft hat das BAG mehrfach abgelehnt.
Eine bevorstehende Strafhaft hat der Bewerber allerdings ungefragt zu offenbaren, denn diese betrifft in erster Linie seine künftige Verfügbarkeit und damit in aller Regel eine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht des künftigen Arbeitnehmers.
Rz. 108
Der öffentliche Arbeitgeber darf den Bewerber um ein öffentliches Amt nach anhängigen Ermittlungs- und Strafverfahren befragen, wenn ein solches Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen kann. Derartige Zweifel bestehen z.B., wenn bei einem Bewerber um die Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an einem Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Urheberrecht, ein Strafverfahren wegen falscher Versicherung an Eides Statt gem. § 156 StGB anhängig ist.