Martin Brock, Dr. Katja Francke
a) Allgemeines
Rz. 1485
Die Pflicht zur Verschwiegenheit ergibt sich in Arbeitsverhältnissen häufig aus arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, sog. Verschwiegenheitsklauseln. Auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung ist ein Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Treuepflicht (§ 242 BGB) bzw. Nebenpflichten grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet, solange das Arbeitsverhältnis besteht. Unabhängig hiervon können Verschwiegenheitspflichten auch aus gesetzlichen Schutzvorschriften wie § 23 GeschGehG oder §§ 823 Abs. 1 und 2, 826 BGB resultieren. Eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht muss hingegen – in aller Regel ausdrücklich – vereinbart werden. Doch auch während der Vertragslaufzeit bietet sich mit Blick auf die Vertraulichkeit eine ausdrückliche Regelung an, um dem Arbeitnehmer den Umfang seiner Pflichten zu verdeutlichen und um ggf. auf mögliche rechtliche Konsequenzen hinzuweisen.
Rz. 1486
In Bezug auf Arbeitnehmererfindungen ergeben sich spezielle Geheimhaltungspflichten aus § 24 ArbnErfG. Der Arbeitgeber hat gemeldete oder mitgeteilte Erfindungen des Arbeitnehmers geheim zu halten, solange dessen berechtigten Belange dies erfordern, § 24 Abs. 1 ArbnErfG. Der Arbeitnehmer hat eine Diensterfindung hingegen geheim zu halten, solange sie nicht frei geworden ist, § 24 Abs. 2 ArbnErfG.
Rz. 1487
Für einzelne Tätigkeitsfelder statuieren spezialgesetzliche Regelungen weitergehende Verschwiegenheitspflichten, die in Umfang und Ausmaß an die Erfordernisse der jeweiligen Berufsgruppe angepasst sind. So bestehen für Betriebsrats- und Personalratsmitglieder Verschwiegenheitspflichten nach §§ 79, 99 Abs. 1 S. 3 BetrVG bzw. § 10 BPersVG. Gleiches gilt für Beschäftigte der Sozialversicherungsträger, die nicht nur personenbezogene Daten von Arbeitnehmern, sondern auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geheim halten müssen, § 35 SGB I.
Rz. 1488
Der Geheimnisschutz kann ferner durch Tarifvertrag geregelt sein.
b) Gegenstand und Umfang der Verschwiegenheitspflicht
aa) Gegenstand der Verschwiegenheitspflicht
Rz. 1489
Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich zunächst auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Darüber hinaus umfasst sie auch alle Vorgänge und Tatsachen, die dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bekannt geworden sind und deren Geheimhaltung im Interesse des Arbeitgebers liegt, wie z.B. persönliche Umstände, Verhaltensweisen des Arbeitgebers (auch Gesetzesverstöße) oder Kenntnisse über Kollegen.
(1) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
Rz. 1490
Das Geschäftsgeheimnis ist in § 2 Nr. 1 GeschGehG legal definiert. Im Wesentlichen erfordert es, dass
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eine Information vorliegt, die |
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nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist, |
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sie daher von wirtschaftlichem Wert ist, |
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sie den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen unterliegt und |
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ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse besteht. |
Die Definition steht seit ihrer Einführung in der Kritik. Aufgrund ihrer unbestimmten Rechtsbegriffe gilt sie als konturlos und für den Rechtsanwender schwer zu handhaben.
Rz. 1491
Ausgangspunkt eines Geschäftsgeheimnisses ist eine Information. Der Begriff unterliegt einer großzügigen Auslegung, um die vielen denkbaren Erscheingungsformen eines schützenswerten Gedankeninhaltes abzudecken. Bei einer Information kann es sich um Angaben, Daten, Kommunikationsakte, Umstände oder sonstiges Wissen handeln und zwar unabhängig von der Struktur, Beschaffenheit, Verkörperung, Darstellung, Verständlichkeit usw.
Es ist dabei auch unerheblich, ob die Daten körperlich erfasst oder lediglich virtuell existieren.
Rz. 1492
Das Geschäftsgeheimnis grenzt sich ab von allgemein bekannten Informationen. Offenkundig und damit nicht von der Verschwiegenheitspflicht betroffen sind Tatsachen, wenn sie von jedermann ohne größere Schwierigkeiten in Erfahrung gebracht werden können. Die tatsächliche Kenntnis ist jedoch nicht erforderlich, es genügt die bloße Möglichkeit der Kenntniserlangung. Dies kann beispielsweise dadurch der Fall sein, dass die Tatsache in allgemein zugänglichen Veröffentlichungen enthalten ist. Auch der Umstand, dass das Unternehmensgeheimnis dem Stand der Technik entspricht (vgl. § 3 Abs. 1 PatG), führt zur Offenkundigkeit. Nicht offenkundig ist eine Tatsache jedoch dann, wenn nur ein ausgebildeter Fachmann sie mit Anstrengungen mittleren Schwierigkeitsgrades ermitteln kann und die sinnvolle Verwendung zahlreicher Details nicht ohne besondere Kenntnis und erst nach entsprechenden Überlegungen und Untersuchungen möglich ist.
Aus dieser beschränkten Zugänglichkeit der Information muss ein wirtschaftlicher Wert resultieren. Das Merkmal des wirtschaftlichen Wertes ist dabei ebenfalls weit auszulegen. Die zugrundeliegende EU-Richtlinie spricht insoweit von einem "realen oder potenziellen Handelswert".
Rz. 1493
Die Information muss Gegenstand von sog. angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen sein. Z...