Martin Brock, Dr. Katja Francke
a) Internes Whistleblowing
Rz. 1695
Das Stichwort "internes Whistleblowing" betrifft die Frage, unter welchen Umständen ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, seinen Arbeitgeber über das rechtswidrige Verhalten von Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder Dritten zu informieren. Das BAG hat in einer älteren Entscheidung eine solche Anzeigepflicht unter der Voraussetzung bejaht, dass den Arbeitnehmer aufgrund seiner Stellung im Unternehmen eine Überwachungspflicht trifft, sich das Fehlverhalten des Dritten im eigenen – zu überwachenden – Aufgabenbereich des Arbeitnehmers abspielt und Wiederholungsgefahr droht. Ausdrücklich offengelassen hat das Gericht die Frage, ob ein Arbeitnehmer allgemein verpflichtet ist, gegen den Arbeitgeber gerichtete schädigende Handlungen seiner Arbeitskollegen anzuzeigen. Im Schrifttum wird dies überwiegend mit der Einschränkung bejaht, dass dem Arbeitgeber erhebliche Schäden drohen. Eine allgemeine "Denunziationspflicht", wonach der Arbeitnehmer jegliche schädigende Handlung von Arbeitskollegen dem Arbeitgeber anzuzeigen hätte, wird dagegen überwiegend abgelehnt. Wo die Grenze liegt und im welchem Maße sich die kraft Gesetzes bestehende Anzeigepflicht vertraglich erweitern lässt, ist derweil noch offen. Eine Pflicht, Verstöße zu melden, besteht nicht, wenn sich der Arbeitnehmer dabei selbst bezichtigen würde. Stellt der Arbeitnehmer beim internen Whistleblowing bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber oder Vorgesetzte bzw. Kollegen auf, kann dies ebenso eine fristlose Kündigung rechtfertigen wie eine grobe Beleidigung des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen.
b) Externes Whistleblowing
Rz. 1696
Ein Arbeitnehmer darf die Öffentlichkeit grds. über Missstände im Unternehmen informieren, vor allem über Straftaten und sonstige Gesetzesverstöße (sog. externes Whistleblowing). Dies schließt eine Strafanzeige ebenso ein wie die Information der Medien. Klauseln im Arbeitsvertrag, die dies verbieten, verstoßen gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 5, 2 Abs. 1 GG und sind daher unwirksam. Gesetzlich hat ein solches externes Whistleblowing seinen Niederschlag etwa in § 17 Abs. 2 ArbSchG oder § 27 AGG gefunden.
Rz. 1697
Das Recht zur externen Meldung von Gesetzesverstößen besteht allerdings nicht grenzenlos. Die Bekanntmachung (vermeintlicher) Missstände kann unter Umständen sogar einen arbeitsrechtlichen Pflichtenverstoß darstellen, der den Arbeitgeber zur – ggf. fristlosen – Kündigung des Arbeitnehmers berechtigt. Die Rechtsprechung nimmt einen Pflichtverstoß des Arbeitnehmers dann an, wenn sich die Offenbarung eines Missstandes als unverhältnismäßige Reaktion auf das Verhalten des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten darstellt. Insofern ist eine Interessenabwägung vorzunehmen: Das Interesse des Arbeitnehmers und der Öffentlichkeit an der Bekanntmachung eines Missstandes ist gegen den möglichen Reputationsverlust des Arbeitgebers und die damit einhergehenden finanziellen Konsequenzen abzuwägen. Wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben sind immer unverhältnismäßig. Das hat die Rechtsprechung für die Erstattung von Strafanzeigen entschieden. Nichts anderes gilt aber für die Information der Medien oder sonstiger Dritter. Auch im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsratswahl darf ein Arbeitnehmer nicht wissentlich falsche, geschäftsschädigende Tatsachenbehauptungen über die betrieblichen Verhältnisse aufstellen und über digitale Medien verbreiten oder verbreiten lassen. Die Motivation des Arbeitnehmers ist ebenfalls von Bedeutung. Das Handeln in bloßer Schädigungsabsicht soll die Meldung rechtmissbräuchlich machen.
Rz. 1698
Ein Arbeitnehmer ist außerdem verpflichtet, eine zumutbare innerbetriebliche Meldung und Klärung des (ver...