Martin Brock, Dr. Katja Francke
a) Allgemeines
Rz. 1730
Nach § 273 BGB hat der Schuldner das Recht, seine Leistung zu verweigern, bis sein Gläubiger die ihm obliegende und fällige Leistung erbracht hat, sog. Zurückbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrecht. Im Arbeitsverhältnis können sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber dieses sog. Zurückbehaltungsrecht nutzen, um den anderen Vertragsteil zur Erfüllung seiner jeweiligen Verpflichtung anzuhalten und die eigene Rechtsposition zu sichern. Zurückbehaltungs- bzw. Leistungsverweigerungsrechte ergeben sich zum einen aus dem BGB – allgemeines Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB, bzw. Einrede des nichterfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB und die sog. Unsicherheitseinrede gemäß § 321 BGB (bei Vorleistungspflicht) – sowie spezialgesetzlich, etwa für den Arbeitnehmer: im Anwendungsbereich des AGG (§ 14 AGG), bei Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen aus § 2 PflZG, sowie für den Arbeitgeber: Verweigerung der Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitnehmer seinen Obliegenheiten bei Arbeitsunfähigkeit nicht nachkommt (§ 7 EFZG).
b) Das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers
aa) Zurückbehaltung der Arbeitsleistung
Rz. 1731
Das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers nach § 273 Abs. 1 BGB besteht im Hinblick auf seine Arbeitsleistung und ist die wohl unmittelbarste Reaktion bei vertragswidrigem Verhalten des Arbeitgebers, etwa Lohnrückstand, vertragswidrige Beschäftigung etc.
Der Arbeitnehmer muss das Zurückbehaltungsrecht tatsächlich und aktiv geltend machen, durch ausdrückliche Erklärung oder durch erkennbares Verhalten; die bloße Einstellung der Tätigkeit soll nicht ausreichen. Aus Sicht des Arbeitnehmers ist empfehlenswert, die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts– am besten unter Fristsetzung – dem Arbeitgeber vorher anzukündigen, um sich nicht dem Vorwurf einer rechtswidrigen Arbeitsverweigerung auszusetzen. Dem Arbeitgeber sollte mitgeteilt werden, aufgrund welcher Gegenforderung die Arbeitsleistung vorläufig nicht erbracht wird, damit dieser den Anspruch ggf. erfüllen kann.
Das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung kann rechtmäßig nur unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben ausgeübt werden. Dies verbietet es dem Arbeitnehmer etwa, seine Arbeitsleistung wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Lohnanspruchs/Lohnrückstands zurückzuhalten. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts kann ferner rechtsmissbräuchlich sein, wenn nur eine kurzfristige Verzögerung der Lohnzahlung zu erwarten ist, wenn also mit kurzfristiger Zahlung zu rechnen ist. Der Arbeitnehmer ist nach Treu und Glauben ferner gehalten, das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung nicht zur Unzeit auszuüben, damit dem Arbeitgeber kein unverhältnismäßig hoher Schaden droht.
Rz. 1732
Das Zurückbehaltungsrecht ist ein individuelles Recht und dient der Durchsetzung bestehender Individualansprüche, etwa dem Anspruch auf Vergütung oder auf Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften. Arbeitnehmer können das Zurückbehaltungsrecht jedoch auch kollektiv ausüben, etwa indem sie gleichzeitig ihre Arbeitsleistung zurückhalten. Die Voraussetzungen für ein Zurückbehaltungsrecht müssen in der Person des betreffenden Arbeitnehmers erfüllt sein, und jeder einzelne Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber gegenüber eindeutig zum Ausdruck bringen, er verweigere die Arbeitsleistung in Ausübung eines ihm, wegen eines bestimmten fälligen Anspruchs (etwa: fällige Lohnansprüche), gegen den Arbeitgeber zustehenden Zurückbehaltungsrechts zur Sicherung eines bestimmten Individualanspruchs. Solange es in diesem Sinne um die Geltendmachung und Durchsetzung individualrechtlicher Positionen geht, liegt gerade kein Streik vor. Ein Streik ist nach formalen Kriterien erst dann zu bejahen, wenn es um den Abschluss von Tarifverträgen bzw. die Durchsetzung tarifvertraglicher Forderungen geht.
bb) Einzelfälle/Beispiele
Rz. 1733
In der betrieblichen Praxis kommt ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers bezüglich der Arb...