Rz. 420

Weiterhin muss die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein (sog. "Monokausalität").[966] Der Arbeitnehmer hat nur dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er ohne Erkrankung gearbeitet hätte und arbeiten hätte können.[967] Wäre die Arbeit im maßgeblichen Zeitraum (auch) aus einem anderen Grund nicht geleistet worden, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Von diesem Grundsatz kann allenfalls durch Tarifvertrag abgewichen werden.[968]

 

Rz. 421

Folgende Sachverhalte führen ebenfalls zu einer – bezahlten oder unbezahlten – Freistellung und können unter Umständen die Entgeltfortzahlung nach EFZG ausschließen:

Urlaub: Urlaub und Entgeltfortzahlung schließen sich aus. Während des Urlaubs erhält der Arbeitnehmer sog. Urlaubsentgelt. Erkrankt der Arbeitnehmer während des Urlaubs, tritt an Stelle des Urlaubsentgelts die Entgeltfortzahlung. Die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit werden auf den Jahresurlaub nicht angerechnet, § 9 BUrlG.[969] Das gilt auch während eines sog. Betriebsurlaubs.[970] Anders nur bei unbezahltem Sonderurlaub; der Arbeitnehmer, der sich ohne Vergütung von den Arbeitspflichten hat befreien lassen, kann keine Entgeltfortzahlung verlangen, wenn er während dieser Zeit erkrankt.[971]
Streikteilnahme: Beteiligt sich ein Arbeitnehmer an einem Streik, hat er für die Zeit der Arbeitsniederlegung keinen Anspruch auf das Arbeitsentgelt. Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis (§ 611 BGB); die Nichterbringung der Arbeitsleistung hat zur Folge, dass der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt (§ 326 BGB). Wenn der Arbeitnehmer während des Streiks erkrankt, hat er dementsprechend auch keinen Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem EFZG. Umgekehrt behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er bereits arbeitsunfähig erkrankt war, bevor der Streik gegen den Arbeitgeber begann, solange er sich nicht am Streik beteiligt.[972]
Aussperrung: Im Fall der Aussperrung werden die werden die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert. Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers, der arbeitsunfähig erkrankt war, entfällt, da die Arbeitsunfähigkeit nicht die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung und den Verdienstausfall ist; auch bei voller Arbeitsfähigkeit hätte der Arbeitnehmer aufgrund der Aussperrung kein Entgelt erhalten.[973]
Aufenthaltserlaubnis: Fehlt einem ausländischen Arbeitnehmer die für eine Beschäftigung in Deutschland erforderliche Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthaltsG und steht fest, dass der Arbeitgeber dem Verbot folgend den Arbeitnehmer nicht beschäftigt hätte, ist bei Arbeitsunfähigkeit kein Entgeltfortzahlungsanspruch gegeben. Dasselbe gilt für die Fälle der fehlenden Arbeitserlaubnis bei EU-Neubürgern nach den §§ 284 ff. SGB III (sog. Arbeitsgenehmigung-EU für Staatsangehörige der neuen EU-Mitgliedstaaten).[974]
Beschäftigungsverbot: Unterliegt eine werdende Mutter einem der krankheitsunabhängigen Beschäftigungsverbote, wie sie in § 11 MuSchG genannt sind, so erhält sie grundsätzlich keine Entgeltfortzahlung nach dem EFZG, sondern Vergütung nach § 11 MuSchG ("Mutterschutzlohn").[975]
Kurzarbeit: Ruht aufgrund von Kurzarbeit die Arbeit im Betrieb des Arbeitgebers vollständig, so ist nicht die Arbeitsunfähigkeit die Ursache für die Arbeitsverhinderung, sondern die Kurzarbeit. Der Arbeitnehmer erhält dann bei Erkrankung keine Entgeltfortzahlung, sondern Krankengeld in Höhe des Kurzarbeitergeldes. Bei Verkürzung der Arbeitszeit gilt dasselbe für die durch Kurzarbeit ausgefallene Zeit; im Übrigen erhält der Erkrankte Entgeltfortzahlung[976] (siehe auch Rdn 458 ff.).
Annahmeverzug: Befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug und erkrankt nunmehr der Arbeitnehmer, etwa während der Dauer eines Kündigungsschutzprozesses, so endet der Annahmeverzug des Arbeitgebers, weil der Arbeitnehmer jetzt seine Arbeitskraft nicht ordnungsgemäß anbieten kann. Zugleich wird damit diese Ursache der Arbeitsverhinderung beseitigt; die Arbeitsunfähigkeit ist damit die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung. Es entsteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch.[977]
Feiertag: Die Kollisionsregel des § 4 Abs. 2 EFZG regelt das Zusammentreffen von Arbeitsunfähigkeit und Feiertag (siehe dazu Rdn 457).

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